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Aufdringlich. Fast wäre die von Karl Friedrich Schinkel entworfene, von 1824 bis 1830 erbaute Friedrichswerdersche Kirche zum Fanal des Denkmalschutzes geworden.

© Staatliche Museen zu Berlin/David von Becker

Friedrichswerdersche Kirche: Der Schinkel-Bau öffnet wieder

Acht Jahre lang war die Friedrichswerdersche Kirche wegen Bauschäden geschlossen. Nun öffnet der Schinkel-Bau wieder. Den Auftakt machen Tage der offenen Tür.

Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel in Chören. Der Vers aus dem Choral von Christian Tersteegen kommt einem beim Wiederbetreten der Friedrichswerderschen Kirche nach knapp achtjähriger Schließzeit in den Sinn. So selig schlagen die Engel auf den himmelblauen Fenstern in der Apsis die Harfen. So golden und weich flutet das Licht durch das Sandsteingewölbe. Karl Friedrich Schinkels einziger in der Berliner Innenstadt erhaltener Sakralbau ist auferstanden aus Ruinen. Und das sogar zum zweiten Mal.
Noch vor drei Jahren hatte es so ausgesehen, als sei der elegante Backsteinbau gegenüber des Auswärtigen Amts verloren. Die Ausschachtungen für den linkerhand bis auf fünf Schritte an die Kirche heranrückenden Sechsgeschosser ließen das seit 1987 als Museum genutzte Gebäude absacken. Vorm Portal bis zu den Marmorstufen des Altars klaffte ein Riss.

Tragende Rippen im Gewölbe brachen, Putz fiel von der Decke. 2012 musste die von der Alten Nationalgalerie mit einer Skulpturenausstellung bespielte Dependance schließen. Der Aufenthalt im mürben Gemäuer wurde zu gefährlich für Menschen und Kunst.

Lederer prangerte das Desaster als Katastrophe des Denkmalschutzes an

Das peinliche Desaster drohte zum Fanal für den verkrachten Umgang Berlins mit dem baukulturellen Erbe zu werden. Noch vor drei Jahren prangerte Kultursenator Klaus Lederer die Verbauung und Beschädigung der Kirche als „Vollkatastrophe“ an, die „ihn fassungslos mache“ und monierte ein Versagen des Denkmalschutzes und der Baugenehmigungspolitik.

Was der Zweite Weltkrieg nicht geschafft hatte, von dessen zerstörerischen Folgen sich die Friedrichwerdersche Kirche erst mit der 1986 noch zu DDR-Zeiten abgeschlossenen Sanierung erholte, dass schien nun die Betonwürfelbebauung der neuen Mitte hinzukriegen.

Goldenes Licht. Die Friedrichwerdersche Kirche von der Empore über dem Altar aus fotografiert.
Goldenes Licht. Die Friedrichwerdersche Kirche von der Empore über dem Altar aus fotografiert.

© Fabian Sommer/dpa

Umso größer die Freude, dass die Friedrichswerdersche Kirche jetzt tatsächlich wieder auf solidem Fundament steht, wie Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, und Yvette Deseyve, die dortige Kuratorin für Skulptur, am Dienstag bei der Vorbesichtigung verkünden. Auch sie haben offensichtlich nicht zu hoffen gewagt, die Kirche wieder als Ausstellungsort in Besitz nehmen zu können. Und nun finden dieses Wochenende Tage der offenen Tür statt.

Die Reparaturkosten soll die Baufirma übernommen haben

Über die Höhe und Bezahlung der Sanierungssumme schweigt Ralph Gleis sich laut aus. Es kursiert aber ein Betrag von acht Millionen Euro, den die Bauwert AG, einer der Bauträger der flankierenden Neubauten, übernommen haben soll. Bauwert habe auch die Unterspritzung des historischen Baukörpers mit Beton ausgeführt, die die Statik wieder ausgeglichen hat, sagt Yvette Deseyve.

Von einer kritischen Rekonstruktion des Denkmalschutzdebakels haben alle Beteiligten offensichtlich lieber abgesehen. Bei historischen Gebäuden entspricht es gängiger Restaurierungspraxis, historische Wunden wie Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg sichtbar zu machen. Der dramatische Längsriss durch das Kirchenschiff ist jedoch komplett verschwunden. „Wie sie sehen, sehen sie nichts“, sagt Ralph Gleis und erläutert, dass der bauliche Zustand von vor 2012 bis auf wenige, für das bloße Auge nicht zu erkennende Details wiederhergestellt sei.

Neogotik mit Sandsteinauskleidung. Der Schinkel-Bau und seine Bögen. Englische College-Kapellen lassen grüßen
Neogotik mit Sandsteinauskleidung. Der Schinkel-Bau und seine Bögen. Englische College-Kapellen lassen grüßen

© Fabian Sommer/dpa

[Friedrichswerdersche Kirche, Werderscher Markt, Mitte, Tage der offenen Tür: Sa/So 18./19.1., 10 – 16 Uhr]

Auch die für die museale Nutzung entscheidende Frage der Verschattung durch den höher als zu Schinkels Zeiten neben der Kirche aufragenden Gebäuderiegel, scheint glimpflich abgegangen zu sein. Weil die Baufirma ihre Pläne modifiziert und die Gebäudehöhe in der Mitte verringert hat. Die für das warme Tageslicht zuständige Lichtführung durch die hohen Fenster funktioniert noch.

Und wenn man von der Empore über dem Eingangsportal in Richtung Altar blickt, wird in der neugotischen Bogenherrlichkeit des Raumes die Inspiration Schinkels durch die Kapellen englischer Colleges offenbar. Hier oben im Umgang klärt auch zukünftig die Dokumentation „Schinkels Wirken in Berlin“ über seine Bauten wie Altes Museum, Neue Wache und Schauspielhaus auf.

Schadows Preußen-Prinzessinnen kehren später auf ihren Sockel zurück

Bis das Paradestück der alten Skulpturenausstellung – Johann Gottfried Schadows Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen (1795) – wieder auf dem angestammten Sockel in der Raumesmitte steht, dauert es aber noch. Es wird gerade restauriert.

Werke der Berliner Bildhauerschule werden auch weiterhin die im Sommer öffnende, neu konzipierte Ausstellung dominieren. Die Schau aus den Beständen der Nationalgalerie mit Werken von der Schinkel-Zeit bis zum Kaiserreich will jedoch stärker als zuvor internationale Bezüge beleuchten.

Bis zur Ausstellungseröffnung werden zukünftig jeden zweiten und vierten Monat öffentliche Führungen angeboten. Auch Schau-Restaurierungen sind geplant. Das Kirchenschiff so leer und unversehrt zu erleben, ist ein mehr Respekt für Berlins Bauerbe einforderndes Glück.

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