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Kultur: Fröhlicher Grenzverkehr

Gott ist bestürzt - Beethoven ist ihm zu gut geraten.Nichts, was ER besser, was ER göttlicher hätte machen können, alles vollendet im Klang wie in der Architektur, bis auf das "f", achtletzter Takt, Opus 17.

Gott ist bestürzt - Beethoven ist ihm zu gut geraten.Nichts, was ER besser, was ER göttlicher hätte machen können, alles vollendet im Klang wie in der Architektur, bis auf das "f", achtletzter Takt, Opus 17.Das würde ER durch ein freudigeres "e" ersetzen.Gott ist getröstet, sein Weltbild wieder hergestellt, wenigstens punktuell kann er seinem Besten noch das Wasser reichen.

Eckhart Henscheid hat diese musikalische Miniatur erfunden.Gelegentlich setzt der Satiriker zu Seitensprüngen an ins bewunderte andere Metier der Musik.Und bedroht auch heimlich zu Hause mit Lust das Klavier.Von Beethoven die kleineren Sachen, gern was von Mendelssohn, an konditionell guten Tagen spielt er auch schon mal Schubert.

Zum fröhlichen Grenzverkehr wollten die allesamt musikbeschlagenen und mehrheitlich selbst musizierenden Schriftsteller und Publizisten ansetzen, die sich im Rendsburger Nordkolleg zu einer Tagung mit dem Titel "Schriftsteller und Musik" versammelt hatten.Musik bedichten? Ein schwieriges, oft auch ein fragwürdiges Geschäft.Doch im vertrauen darauf, daß gelungene Sprache etwas tief Musikalisches in sich trägt, sucht auch der Schriftsteller nach Klang, vor allem nach Rhythmik in einem Text.Und wo der absoluten, insbesondere der Kammermusik mit Worten nicht recht beizukommen ist, sind es Psyche und Lebenswege von Komponisten, die Schriftsteller faszinieren - so entstanden Peter Härtlings Roman zu Schumann und Schubert oder Dieter Kühns skurriles Buch "Beethoven und der schwarze Geiger".

Trotzdem, eine Gratwanderung bleibt das Unternehmen immer - droht doch beim recherchierenden Blick in den Konzertführer der sprachliche Ernstfall.Entweder wird der Liebhaber mit fachwissenschaftlicher Terminologie verschreckt, oder aber es "wabert geheimnisvoll der Nebel durch Beethovens dunkelverhangene Anfänge, von wilden Blitzen angstvoll durchzuckt" - was rein meteorologisch schon ein Unding ist, vielen Feuilletonisten aber nicht weiter auffällt.Fauler Zauber, entsprungen dem Wunsch verzaubert zu werden.

Beethoven selber beschrieb das Entstehen seiner Partituren als langweilige Verarbeitung des Tonmaterials in Breite, Enge, Höhe und Tiefe - das klingt natürlich nach nichts."Schriftsteller und Musik" - der Kern der Sache müßte wohl ein Abtauchen der Sprache in den Ton sein, ohne wortreiches Ertrinken.Das aber ist kaum zu leisten.Thomas Mann mag es an einigen wenigen Stellen geglückt sein, ansonsten herrscht Arbeitsteilung, wie der Musikwissenschaftler Albrecht Riethmüller darlegte.Die Personalunion von Dichter und Musiker ist irgendwo kurz nach Homer verlorengegangen, und wer Richard Wagners Operntexte liest, der weiß, daß die Sache mit dem Gesamtkunstwerk glücklicherweise doch nicht so ganz geklappt hat.

So bleibt die gegenseitige Bewunderung von Schriftstellern und Musikern eine Arbeitsachse - und sei es als Doping, als Treibstoff für die Seele.Mendelssohn und Verdi für den Push, Schubert für den Kater danach - so beschrieb die Lyrikerin Dagmar Leupold freimütig ihre musikalische Hausapotheke.Als Herbert Rosendorfer dann aber E.T.A.Hoffmann auch noch zum Stern der musikalischen Romantik erkoren wissen wollte, konnte das Ohr gleich selbst korrigieren.Das arglose Klaviertrio, dargeboten von Studenten der Musikhochschule Lübeck, zeigte einen gebildeten, einen liebenden Hausmusikanten.Den Musiker E.T.A Hoffmann hat es nie gegeben - wie schön, daß er so wunderbare Texte hinterlassen hat und so wenig Töne.

Ansatzpunkt für Rüdiger Safranski, der E.T.A Hoffmann sensibel portraitierte, als einen Zerrissenen zwischen Kunst und beamteter Solidität, der seinen Kapellmeister Kreisler zum Double für gefährliche Aufgaben macht - die musikliterarische Figur Kreisler tut, wovon ihr Schöpfer E.T.A Hofffmann nur träumt.Das ungeschaffene eigene musikalische Werk bleib dagegen ein immerwährender Stich in Hoffmanns Seele.Musikalisches Format hatte Fritz Senns Vortrag zu James Joyce, dabei hatte sich der Direktor der Zürcher Joyce Stiftung vorab bescheiden - oder doch nur listig? - als Musikbanause geoutet.

Senn lotste flüsternd und singsprechend durch das Sirenenkapitel aus "Ulysses", zeigte Echowirkungen und Themenköpfe dieser Textpartitur so sinnlich, daß mancher seiner Hörer den Vorsatz, Joyce zu lesen, nun ermutigt vielleicht wirklich in die Tat umsetzt."Geht aber nur auf Englisch", setzte Senn dann noch drauf.Warum? Wegen des Sprachklangs, natürlich.

Viele kleine Edelsteine bei dieser Tagung in Rendsburg, trotzdem wurde einmal mehr deutlich, daß man Musik nicht "bedichten" kann, die vergnügliche Veranstaltung geriet manchmal arg ins Dümpeln, Variationen über kein Thema? Sportlicher Vorteil für die Musiker, haben sie für solche bunten Lustbarkeiten doch wenigstens - ein Wort.Capriccio.

ULRIKE TIMM

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