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Kultur: Früchte des Zorns

Die Stille ist das Schlimmste - wenn das Klirren, Krachen, Kreischen für Augenblicke stoppt und man nur das Atmen des erstarten Publikums hört.Keiner klatscht, keiner bewegt sich, keiner spricht.

Die Stille ist das Schlimmste - wenn das Klirren, Krachen, Kreischen für Augenblicke stoppt und man nur das Atmen des erstarten Publikums hört.Keiner klatscht, keiner bewegt sich, keiner spricht.Eine schier unerträgliche Ruhe, die aber nur für Sekunden anhält.Die nächste Klangattacke folgt sofort.

Die israelische Sängerin Meira Asher hat eine elektronische "Oper" über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geschrieben, die für ethnische und religiöse Auseinandersetzungen auf der ganzen Welt steht."Alle Speere verwandeln sich in Haken für die Tiere, zu denen wir werden, um in unserem traditionellen Schlachthof zu hängen", erklärt Asher den Titel "Spears into Hooks", in Anlehnung an einen biblischen Spruch aus den Büchern Jesaja und Micha.

Den Frieden, den sie sich ersehnt, hat sie noch nicht gefunden.Ätzend aggressiv klingt deshalb der Neo-Noise, den Asher zusammen mit Daniel Baruch in den Berliner Sophiensälen live produziert und der die Fensterscheiben zittern läßt - als hätten die Einstürzenden Neubauten einen fiesen Remix der "Reichskristallnacht" des jüdischen Komponisten John Zorn gemacht.Daß die zwei DJ-Pulte aus Milchglas und die Blitzlichtgewitter an einen schicken Techno-Club erinnern, ist ein sarkastischer V-Effekt: Mit "Saturday Night Fever" hat diese "Disco Death" wirklich nichts zu tun.

Wie jede Oper beginnt auch dieser Hardcore-Bastard mit einer Overtüre.Die eintretenden Zuschauer werden von Soundsplittern und einer klagenden weiblichen Stimme empfangen.Durch den Nebel tasten sich Geräusche, als würde man zerkratzte Platten rückwärts abspielen.Auf der linken der beiden Leinwände, die hinter der Bühne aufgebaut sind, sieht man einen Mann begeistert mit einer Maschinenpistole herumfuchteln.Stille.Kichern.Unsicherheit.Dann ultraharte Industrialbeats."Another religious boy again, does another act of saint", singt die dunkle Stimme."Shahid" heißt der Opener, eine Abrechnung mit dem gleichnamigen islamischen Selbstmordkommando.

Auf den Leinwänden wird im Dauer-Loop gezeigt, wie ein Mann verblutet.Unter Bildern wie diesem (Videos: Jens Greuner) steht die kahlgeschorene Asher mit grimmig heruntergezogenen Mundwinkeln."I will destroy man" brüllt die Rachegöttin zu den Großaufnahmen von einer Nasenoperation.Das ist widerlich berührend - und poetisch.Und während auf Anzeigetafeln "Birkenau.Here.Now.Now.Now" vorbeiblinkt, seufzt Meira Asher in ein altes Mikro: "Another wunderbar day".

ANDREAS KRIEGER

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