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Kultur: Für alle Ewigkeit

Ein prunkvolles Gefäß aus dem Hochzeitssilber von Kaiser Wilhelm II. ist wieder aufgetaucht

Er wiegt 23 Kilo und hat einen sechsstelligen Preis: Gigant der diesjährigen Antiquitätenmesse ist nicht etwa eine Skulptur, ein Gemälde oder ein Möbelstück. Sondern ein Humpen. Knapp einen Meter misst der vergoldete Krug, den Edelsteine, Wappen und seine lange Geschichte schmücken.

Die Provinz Sachsen ließ ihn 1881 von dem Künstler Hugo Zacharias entwerfen und dem renommierten Hofgoldschmied Sy & Wagner ausführen. Und zwar als Hochzeitsgeschenk für Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Victoria. Getrunken hat das Brautpaar aus dem schon damals überaus wertvollen Gefäß wohl nie. „Es war ein ausgesprochenes Repräsentationsobjekt“, meint Achim Neuse, dessen Bremer Galerie den herrschaftlichen Humpen vor einem halben Jahr erworben hat. „Wahrscheinlich gab es aber anlässlich der Hochzeit einen symbolischen Schluck daraus.“

Im Berliner Stadtschloss wurde der Humpen aufbewahrt, bis er Ende des Ersten Weltkriegs in den Privatbesitz von Wilhelm II. gelangte. Der letzte Deutsche Kaiser verkaufte ihn schließlich im Exil. Von nun an war der Kelch verschwunden, tauchte zwar 1953 bei einer Auktion auf, aber gleich wieder ab – bis ihn in diesem Frühjahr ein amerikanischer Privatsammler erneut auf den Kunstmarkt brachte. „Es ist ein Wunder, dass sich das Stück in diesem hervorragenden Zustand erhalten hat“, meint Neuse. Der Galerist weiß, dass er eine kleine Sensation ersteigert hat.

Auf dem Mittelteil des Humpens prangt ein feierlicher Hochzeitszug: Gäste in prunkvollen Kleidern fassen sich an den Händen, umringt werden sie von Zweigen und Engeln mit Feuerfackeln. Darüber steht in aufwendig eingravierten Lettern: „Minne Taugt Nicht Einsam* Sie Soll Sein Gemeinsam* So Gemeinsam Dass Sie Dringt* Durch Zwei Herzen Und Kein Drittes Zwingt.“ Überhaupt wandte man sämtliche bekannte Techniken an, um den Krug imposant wirken und glänzen zu lassen. Da wurde gegossen, getrieben, ziseliert und emailliert. „Es gibt nichts Vergleichbares in der deutschen Goldschmiedekunst des 19. Jahrhunderts“, weiß Neuse.

An seinem Stand auf der zehnten Ars Nobilis wartet der Kunsthändler auf einen großzügigen Schöngeist: „Wir erhoffen uns einen sechsstelligen Betrag.“ Wenn es nach ihm ginge, gäbe ein neuer Besitzer des Schatzes dem Humpen seine ursprüngliche Funktion zurück: betrachtet und bewundert zu werden. Dazu gehörte dann auch eine gläserne Vitrine. „Wir würden uns freuen, wenn das Objekt in eine öffentliche Sammlung käme und damit der Allgemeinheit zugänglich wäre.“ Am liebsten wäre Achim Neuse ein Berliner Museum.

Annabelle Seubert

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