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Kultur: Für eine Hand voll Euro

Touristen, die einen festlichen Opernabend Unter den Linden erleben wollen, dürften derzeit erheblichen Irritationen ausgesetzt sein. Denn auch wenn sie Karten in der teuersten Preiskategorie gebucht haben, könnte es gut sein, dass ihre Sitznachbarn Piercings statt Perlenkette und Schlabberjeans statt Smokinghose tragen.

Touristen, die einen festlichen Opernabend Unter den Linden erleben wollen, dürften derzeit erheblichen Irritationen ausgesetzt sein. Denn auch wenn sie Karten in der teuersten Preiskategorie gebucht haben, könnte es gut sein, dass ihre Sitznachbarn Piercings statt Perlenkette und Schlabberjeans statt Smokinghose tragen. Grund ist die Aktion Staatsoper zum Kinopreis , die schon im letzten Jahr mit Riesenerfolg lief: Den ganzen Juni über werden für alle Vorstellungen insgesamt 5000 Karten in den vier besten Kategorien zum Einheitspreis von 7 Euro an unter 30-Jährige abgegeben. Das ist natürlich ein Knüller, zumal die Aktion nicht auf Studenten und sonstige Vergünstigungskandidaten begrenzt ist, sondern auch für ganz normale Arbeitnehmer gilt. Lediglich ein Ausweis als Altersnachweis wird verlangt.

Passend zum Kinopreis-Motto steht in der kommenden Woche auch gleich eine Inszenierung eines Filmregisseurs auf dem Programm: Percy Adlons („Out of Rosenheim“)Version von Donizettis Liebestrank bietet zwar keine überwältigenden Erkenntnisse, steht dem Handlungsablauf aber auch nicht weiter im Weg. Der slowakische Tenor Pavol Breslik, der das Ensemble zum Ende der Spielzeit verlässt, mimt den schüchternen Nemorino mit Hingabe und mozartschem Tenorschmelz, Anna Samuil bringt als Adina die richtige Portion Sexappeal ins Spiel, und der Mexikaner Alfredo Daza ist als eingebildeter Sergeant Belcore einfach umwerfend witzig (6. und 10. Juni) . Ein härterer Brocken ist da schon Verdis Macht des Schicksals (heute sowie am 8., 11. und 15. Juni) . Der junge Norweger Stefan Herheim hat seine Inszenierung mit haufenweise gescheiten Gedanken über Verdi, die Oper und die Welt an sich voll gestopft. Spätestens wenn zum berühmten „Rataplan“-Chor halbnackte Kinder Proklamationen wie „Oper muss sein“ auf der nackten Haut zeigen, scheiden sich die Geister.

Jörg Königsdorf

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