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Gleich rollt die Kugel. Sie hat ein Ziel. Aber nicht vergessen: Es ist nur ein Spiel.

© Gerald Beyer - Fotolia

Fundstücke zum Jahreswechsel: Jetzt schlägt’s 2013!

365 Tage mit der Gruselziffer 13? Kein Grund, nun ein Jahr lang durchzuzittern. Denn die Dreizehn ist mal stark, mal witzig, mal wild – und bringt sogar Glück. 13 Fundstücke aus Kunst und Alltag.

„Die Wilde 13 ist eine gefährliche Bande von Piraten, die mit ihrem Segelschiff die Weltmeere unsicher machen. Sie entführen Prinzessin Li Si und verkaufen sie an Frau Mahlzahn. Sie wohnen in dem Land, das nicht sein darf. Beim Abzählen ihrer Mannschaftsstärke ist der Wilden 13 ein kleiner Fehler unterlaufen. In Wirklichkeit sind sie nur zwölf Piraten: Antonio, Emilio, Fernando, Ignazio, Ludowico, Maximiliano, Nikolo, Rudolfo, Sebastiano, Theodoro, Ulrico, Xaverio.“

Wer mit dem Universum des Jim Knopf nicht gar so vertraut ist, läuft Gefahr, schon bei der Lektüre des Personenverzeichnisses von Jim Knopf und die Wilde 13 ganz wuschig im Kopfe zu werden. Andererseits bemüht sich Wikipedia auch hier, bei der Ausleuchtung von Michael Endes labyrinthischem Kinderbuchklassiker, wie stets verdienstvoll um Klarheit. Die „Wilde 13“ also, lernt man, entführt Kinder und verkauft sie an den mageren Volldrachen mit Namen Frau Mahlzahn, welchselber in der Alten Straße 133 in Kummerland eine reichlich schwarzpädagogische Schule betreibt.

Noch Fragen? Lieber furchtlos die Auffassung vertreten, dass es nie ein Zuviel an Fantasie geben kann. Und ebenso furchtlos der 13, der eindeutig wilden, entgegentreten.

dOCUMENTA (13)

„Heute ist die Nicht-Großschreibung von Wörtern ein Beispiel für eine von vielen unbeabsichtigten Gesten der digitalen Welt. Die normalen Schreibregeln umzudrehen, indem man das restliche Wort in Großbuchstaben schreibt, erfordert aktives Engagement, Aufmerksamkeit und einen gewissen Mehraufwand an der Tastatur.“

So begründete die Künstlerische Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn ChristovBakargiev, die Schreibweise des jüngsten internationalen Kasseler Sommerkunstfestivals. Also: Weg von der „radikalen demokratischen Geste“ der seit den 50er-Gründungsjahren meist beherzigten Kleinschreibung, hin zum Alleinstellungsmerkmal dOCUMENTA. Auf die visuelle sowie semantische Revolutionierung der angehängten Ziffer wurde allerdings verzichtet. Auch gut.

Gerd Müller, genannt Bomber der Nation

„Ach, der Müller, dem ist das doch alles piepegal. Dem sind die Vergleiche mit Gerd egal. Dem sind seine mickrigen Füßchen egal, der setzt sich trotzdem durch. Dann die 13 hinten auf'm Buckel, da denkt der sicher, ach was, die seh ich ja nicht.“

Schon ein Weilchen her, dieser prophetische Beitrag vom April 2010 in einem Internetforum, wo Bayern-Fans sich leidenschaftlich über die Bedeutung der Rückennummern ihrer Idole austauschten. Im Sommer, bei der WM, wurde Thomas Müller prompt Torschützenkönig. Hübsch hier vor allem der Gedanke, die Trikotnummer 13 sei bei den Nationalspielern deshalb so attraktiv, weil der Träger selber sie nicht sieht. Tatsächlich brachte die 13 schon dem erwähnten Gerd Müller, genannt Bomber der Nation, reichlich Glück. Wie Pech klebte sie dagegen bald an Michael Ballack. Vielleicht weil der Nulltorschütze der WM 2006 zu heftig an ihr klebte?

Das 13. Monatsgehalt

„Jeder weiß, dass die wunderlich gewordene Zeit mitunter in einer Folge gewöhnlicher, normaler Jahre noch andere Jahre, besondere Jahre, missratene Jahre aus ihrem Schoß gebiert, Jahre, denen gleich einem sechsten, kleinen Finger an der Hand irgendwo ein dreizehnter, falscher Monat wächst. Wir nennen ihn falsch, denn er entwickelt sich selten zur Gänze. Wie spät gezeugte Kinder bleibt er im Wachstum zurück, ein buckliger Zwergenmonat, ein halb verwelkter und eher gedachter als wirklicher Ableger.“

Kleiner Angestelltenscherz: Ob Bruno Schulz bei diesem Kapitelbeginn seiner legendären „Zimtläden“ (1934) an das nicht minder legendäre 13. Monatsgehalt dachte? Früher eines der wenigen tariflichen Arbeitnehmerprivilegien, verwelkt und verkümmert es heute oft. Sind halt Zwergenzeiten, bucklige.

B wie Blur

„Ich schäme mich für gar nichts, für keinen Mist, den ich je gemacht habe, für keine schlechte Zeichnung, kein schlechtes Bild, keinen schlechten Song. Ich denke, das ist alles bedeutend.“

So unerschrocken schreibt Graham Coxon, Mitbegründer von Blur sowie Leadgitarrist und Maler, das auf seiner Website hin. Wer so denkt, vertreibt alle bösen Geister. Und wenn er dann auch noch ein ganzes Album einfach 13 nennt, scheint der Hokuspokus mit der Unglückszahl, die auf die heilige Zwölf folgt, vollends gebannt. Also Judas, der Dreizehnte beim Abendmahl, das christliche Pipapo, und die Triskaidekaphobie sowieso. Tris-kai-deka-phobie? Richtig, die Drei-plus-zehn-Angst. Die gibt’s, wissenschaftlich erforscht, und sie heißt auch so. Da scribbelt Graham Coxon lieber eine 13 auf eines seiner Bilder und macht einen Ausschnitt davon zum Cover. Für Angsthasen: Die 13 als ein etwas aus dem Leim gegangenes B lesen. B wie Blur.

Traumstädtchen

„Arles. Les Baux. Cassis. Saintes-Maries de-la-Mer. Saint-Rémy. Tarascon.“

Traumstädtchen im französischen Département Bouches-du-Rhône alias 13: drei zum Apéro des Alphabets, drei eher zum Dessert. Und der Hauptgang auf der Jahreskarte? Die europäische Kulturhauptstadt Marseille.

Die Schlüssel zu den dreizehn Thüren des Himmelreichs

„Liebes Kind, ich habe eine große Reise vor, da nimm die Schlüssel zu den dreizehn Thüren des Himmelreichs in Verwahrung: zwölf davon darfst du aufschließen und die Herrlichkeiten darin betrachten, aber die dreizehnte, wozu dieser kleine Schlüssel gehört, die ist dir verboten: hüte dich, daß du sie nicht aufschließest, sonst wirst du unglücklich.“

Also sprach die Jungfrau Maria im Himmel zu dem Mädchen in dem Grimmschen Märchen „Marienkind“. Weil aber das Mädchen doch durch die Tür spickt und zudem das Vergehen beharrlich leugnet, stürzt es zurück auf die Erde, und ein Martyrium beginnt. Erst nach seinem Geständnis auf dem Scheiterhaufen vergibt Maria ihm die Sünde. Brr, was für ein Happyend! So sehr gruselt sich die Christenwelt vor der 13. Kammer, dass sie entsprechende Zimmernummern aus Hotels und Krankenhäusern verbannt und ähnlich verhexte Flugzeugreihen und Schiffsdecks gleich dazu. Jetzt bloß ab nach Japan: Die 13 gilt dort als Glückszahl. Übrigens auch im Judentum: Da verfügt Gott über exakt 13 Eigenschaften.

Thirteen im Titel

„Warum aber läuft Nina davon? Erst am Schluss wissen wir: Sie ist weggegangen, um zu fühlen, wie es ist eines Tages allein. Und um zu wissen, es ist noch nicht so weit.“

Wahrscheinlich gibt es mindestens 13 Filme, die das Thirteen im Titel tragen, Pubertätsdramen sowieso. Die Geschichte der 13-jährigen Nina – hier ein paar Zeilen aus der Tagesspiegel-Rezension – erzählte David Williams in seinem schönen Forums-Beitrag der Berlinale 1998, der später, wie manches Schöne, nie ins Kino kam. Und wenn das aktuelle Jahrhundert, um beim Thema zu bleiben, gerade selber zum Teenager wird? Seine frühkindlichen Traumata hat es bereits weg, aber vielleicht wird noch was draus.

Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär

„Qwert beschließt, den Dimensionslöchern erst einmal fern zu bleiben und macht mit Blaubär zusammen eine Schule auf. Blaubär schreibt das ,Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung’ aus seinem Kopf ab, macht es zur Pflichtlektüre des großen Waldes und zieht mit seiner neuen Geliebten Avriel zusammen.“

Vielen Dank, noch einmal, Wikipedia! Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär von Walter Moers, dessen letztes Kapitel hier zusammengefasst ist, birst vor Fabulierlust, als wär's ein Stück von Michael Ende. Qwert, mit vollem Namen Qwert Zuiopü, ist ein Gallertprinz aus der 2364. Dimension, und Zamonien heißt der Kontinent, auf dem sich die Bunt- sowie Blaubären herumtreiben.

Ein bisschen spinnert macht sie schon, die 13 – oder auch die 13½ . Aber auch dieses Silvesterlexikon ziemlich unnützen Wissens will zu Ende gebastelt sein. Wenn man schon so verrückt ist, damit anzufangen.

Paraskevedekatriaphobie

„Paraskevedekatriaphobie!“

Ein Fremdwort zum Auswendiglernen. Bezeichnet die Angst vor Freitag, dem Dreizehnten. Paraskeue = griechisch „Zurüstung“ vor dem Sabbat, also Freitag. Deka = zehn. Tria = drei. Phobie = Bibberzeug. Das Datum kommt pro Jahr ein- bis dreimal vor. Der Komponist Arnold Schönberg, ein großer Paraskevedekatriaphobiker, blieb an dem Tag stets lieber gleich im Bett. Wer dagegen an nämlichem Freitag einmal ein großes Glück erlebt hat, ist für immer gefeit. Alle anderen denken am besten daran, dass die Spanier sich lieber vor Dienstag, dem Dreizehnten, gruseln. Und die Italiener vor Freitag, dem Siebzehnten. Und die Pessimisten vor allen Tagen. Also keinem.

Malkowski 9 + Stevens 4 = 13

„Ein nicht mehr erwarteter Brief, der eines Morgens allein im Kasten liegt. Eine weit geöffnete Tür zu einem Zimmer, das keinen Boden hat. Aufkommender Wind nach einem heißen Tag. Des Einhorns Huf auf einem weißen Blatt.“

Kein Gedicht, sondern Kapitel 9 der 13 Kapitel umfassenden Dankesrede von Rainer Malkowski zum Joseph-Breitbach-Preis 1999 der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, gewidmet Wallace Stevens, den Dichter der Dreizehn Arten eine Amsel zu betrachten. Stevens’ Betrachtungsweise Nummer 4 geht so: „A man and a woman / Are one. / A man and a woman and a blackbird / Are one.“ So lyrisch kann man das sehen. Oder auch zur Abwechslung so mathematisch: Malkowski 9 + Stevens 4 = 13.

Hauptsache, erdbebensicher

„Interviewer: Okay, fangen wir in 30 Sekunden an!

Roky Erickson (lachend): San Francisco Time, vor dem Erdbeben, es ist 12 Uhr 39!“

Optisch und akustisch ziemlich verwaschen, das Youtube-Video, Ausschnitt einer Doku mit Roky Erickson von den 13th Floor Elevators. Beim Gespräch hantiert der bärtige Spaßvogel linkerhand mit einem großen Glas voll durchsichtiger Flüssigkeit, rechtsseitig dagegen mit ziemlich enorm anmutender Rauchware. Manche meinen, der Name der Band aus den Sechzigern sei auf den 13. Buchstaben des Alphabets zurückzuführen – genauer: auf den Anfangsbuchstaben des Worts Marihuana, wofür die Uraltrock-Psychedeliker stets eine besondere Schwäche hatten.

Andere sehen darin, nüchterner, einen Hinweis auf die in Amerika so weitverbreitete wie rätselhafte Abwesenheit der 13. Etage in Hochhäusern und entsprechender Knöpfe in den Lifts – worüber die in dieser Hinsicht weniger abergläubischen Asiaten nur lächeln können. Andererseits, ob San Francisco oder Osaka oder Shanghai: Hauptsache, erdbebensicher!

Voll eins auf die Zwölf

„Jetzt schlägt's dreizehn!“

Redewendung umstrittener Herkunft und Bedeutung. Das Duden-Universalwörterbuch übersetzt sie so: „Das geht zu weit.“ Vielleicht weil die Kirchenglocken stets bei Zwölf Schluss machen? Oder weil die Stunde nach Mitternacht als geisterhafte 13. Stunde gilt, in der das „Dutzend des Teufels“ regiert? Jetzt schlägt's 2013, soviel ist sicher, und die numerologischen Gespenster kriegen heute voll eins auf die Zwölf.

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