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Kultur: Funktion ist nichts, Sorgfalt ist alles

Heinz Bienefeld war ein Perfektionist.Für einige seiner Bauten fertigte der 1995 gestorbene Architekt über eintausend Zeichnungen an.

Heinz Bienefeld war ein Perfektionist.Für einige seiner Bauten fertigte der 1995 gestorbene Architekt über eintausend Zeichnungen an.Jedem Detail widmete er sich, bis hin zum Fensterbeschlag und zur Türklingel.Entsprechend erforderte seine Bauweise meisterliches Handwerk.Manche seiner Auftraggeber sägten denn auch unentwegt Ziegel für den Steinboden; viele loben seinen klaren Blick, der ihnen erst die Augen für qualitätvolles Bauen geöffnet habe.Einige Bauherren gerieten aber auch durch seine Vorstellungen und die mehrjährige Bauzeit in finanzielle Engpässe.

Doch Bienefeld blieb ein Architekt für Kenner.Sein schmales Werk umfaßt knapp vierzig Bauten, darunter ist nur ein größerer.Bienefeld schuf keine Industrie- oder Geschäftsbauten, sondern allein Wohnhäuser und Kirchen.Damit kann man nur wenig Aufsehen erregen.Bienefelds Aktualität liegt in der Zeitlosigkeit, in seinem Vertrauen auf handwerkliche Perfektion, auf klare Maße und Proportionen.

Nun stellt das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main, das den Nachlaß des vorwiegend im Rheinland tätigen Architekten besitzt, Bienefelds Schaffen auf allen vier Etagen des Hauses eindrucksvoll vor.Immerhin wird sein Werk von DAM-Direktor Wilfried Wang zu den wichtigsten der Architekturgeschichte gezählt.Die letzte, nur einem Baumeister gewidmete Frankfurter Schau liegt acht Jahre zurück und galt dem Neoklassizisten Heinrich Tessenow.Auch daran läßt sich Bienefelds Wertschätzung erkennen.

Im Erdgeschoß werden zwei seiner bekanntesten Bauten ausführlich vorgestellt: das Haus Heinze-Manke (1984) und das Haus Babanek (1991).Bis zu den konstruktiven Elementen wie Fußböden, Treppen, Dächer und Fenster bleibt nichts unerwähnt, was von Bienefeld immer wieder neu und passend zum Haus erfunden und präzise durchgeformt wurde.Seine Arbeit begann er mit miniaturhaften Kohle- oder Filzstiftskizzen (Maßstab 1:500 oder 1:200); zugleich arbeitete er in Plastilin Miniaturmodelle aus, um die Wirkung zur Umgebung zu erkunden.Am Ende standen bis zur Originalgröße gezeichnete Werkplanungen.

Daß Bienefeld dank seiner genauen Arbeitsweise und seiner unerbittlichen Qualitätsmaßstäbe oft bei Wettbewerben scheiterte, wird im obersten Stockwerk an einigen Projekten klar.Zu sehen ist auch Bienefelds Materialiensammlung, in der er gute und schlechte Industrieprodukte voneinander schied.Einfache, aber haltbare Materialien wie Backstein, Kalkmörtel ohne Zement oder Tischlerplatten waren ihm allemal lieber als gestylte Fertigprodukte.

Architektur definierte er als "präzise Durchformung der Räume nach den Gesetzen der Kunst", seine Häuser sind gebaute Architekturmanifeste.Neben Proportion und Ordnung galten ihm Oberfläche und Ausstrahlung des Materials als Wesensmerkmale des Schönen in der Architektur.Auch das Licht war ihm wichtig, nicht nur bei den hohen Fensteröffnungen und den gerne gebauten Innenhöfen, sondern auch bei den Baumaterialien.Das Relief des Mauerwerks aus Ziegeln oder Sichtbeton, seine Farbigkeit und seine Textur spielten in Bienefelds Planungen eine große Rolle.

Natur, Antike und Renaissance galten Bienefeld als Lehrmeister.Sein Haus Nagel (1966) war noch streng an der palladianischen Renaissance orientiert, doch schon bald wandte sich Bienefeld freieren Formen zu.Bestes Beispiel ist die Hunsrücker Pfarrkirche St.Willibrord (1968).Hier entwickelte er aus rauh verfugten Backsteinen virtuose "Fugenbilder", die an römisches Mauerwerk erinnern.Auf Urtypen des Häuserbaus griff er auch später zurück, aber nun stand die Raumentfaltung im Zentrum: Meist handelt es sich um römisch anmutende Atriumhäuser mit Säulengängen, großen Fluren und raffiniert verschachtelten Räumen.Doch eine urbane Architektur konnte Bienefeld nicht enwickeln, seine Häuser brauchen Platz, um überhaupt wirken zu können.

Höhepunkt seiner Baukunst ist das voller Widersprüche steckende Haus Babanek in Brühl bei Köln.Die Vorderseite ist komplett verglast, dahinter steht die zweite, richtige Fassade aus Backstein.Die Rückseite indes besteht aus einer dicken, fast abweisenden Ziegelfassade mit hohen Fenstern.Erst die Schmalseiten mit dem Aufeinanderprall von Glas und Ziegelsteinen machen den Widerspruch zwischen Filigranem und Massivem deutlich.Gekrönt wird das von einem scheinbar schwebenden Dach - der Eindruck entsteht dank eines schmalen Glasriegels unterhalb der Dachziegel.

"Form ist alles, Funktion ist nichts." So steht es in Bienefelds Notizbuch.Reduktion, Reinheit und Transparenz waren seine Werte, um asketische Schönheit zu retten.Heutige Bauherren könnten von ihm lernen.Nur zu bezahlen ist solch ein Haus, das mittelalterliche Arbeitsmethoden erfordert, kaum noch.

Frankfurt (Main), Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, bis 27.Juni.Katalog m.CD-ROM bei Wasmuth, 68 DM.

CHRISTIAB HUTHER

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