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Kultur: G-8-Gipfel: Es fährt ein Zug nach Genua - irgendwann. Impressionen von einer schwierigen Reise

Es gibt viele Arten, Gefangene des G-8-Gipfels von Genua zu sein. Es gibt auch sehr originelle, zum Beispiel die in einem Zug.

Es gibt viele Arten, Gefangene des G-8-Gipfels von Genua zu sein. Es gibt auch sehr originelle, zum Beispiel die in einem Zug. IC-Nachtzug 756, Neapel-Turin über Genua, Abfahrt Rom Hauptbahnhof 00.03, planmäßige Ankunft in Genua Brignole 5 Uhr 22. Im Römer Reisebüro klebte ein kleines Schild an einer Wand: "Wegen des G-8-Treffens in Genua können Züge Verspätungen und Umleitungen unterzogen werden." Ende.

Das Schlafwagenticket mit der Bettreservierung nach Genua für die Nacht vom 19. auf den 20. Juli wurde mir kommentarlos verkauft. Informationen auf dem römischen Bahnhof über Umleitungen und ungefähre Ankunftszeiten, beziehungsweise Anschlusszeiten konnten nicht gegeben werden. Im Zug antworteten nervöse Schaffner auf die Bitte um Auskunft mit einem lapidaren Schulterzucken. "Meine Dame, was erwarten Sie von mir, wir improvisieren."

Mir wurde vorgeschlagen, in Pisa auszusteigen, um 3 Uhr 30 mitten in der Nacht auf halber Strecke, und ab dort die restlichen 250 Kilometer mit Lokalzügen zu versuchen ... Freundliche Ablehnung meinerseits, denn etwas Nachtruhe braucht ja jeder Mensch. In Pisa wurde der Zug dann nach Florenz umgeleitet, danach kletterte er mühsam über die Apenninkette und fuhr in der Nacht durch die weite Poebene. Um 8 Uhr hielt er in Parma, danach in Piacenza und um 10 Uhr war er endlich in Alessandria angekommen, der südlichsten Stadt des Piemont, weit nördlich von Genua. Umsteigen in einen Pendlerzug ohne Pendler nach Novi Ligure, wo wir auf dem Bahnsteig von Grüppchen von Polizisten argwöhnisch beobachtet werden. Wieder umsteigen in einen noch langsameren Zug nach Bolsaneto, ein Vorort der ligurischen Hauptstadt noch mitten auf dem Land. Für 20 Kilomoter braucht der Zug über eine Stunde und hält mehrmals auf offener Strecke. Und jetzt?

Besorgte Anrufe

Normalerweise legt der Zug die 500 Kilometer in fünf Stunden zurück. Er fährt die Westküste entlang, parallel der Aurelia vom Latium über die Toskana nach Ligurien. Meine kleine Weltreise führte mich auch über Emilia, die Lombardei und das Piemont und dauerte über 13 Stunden! Im Abteil mit mir die Verlobte eines Polizisten aus Neapel, der in vorderster Linie die Großen im Käfig schützen soll. Jede halbe Stunde ein besorgter Anruf an das Mädchen, ob und wann sie ankommen würde. Die nervöse Anspannung in Erwartung des Sturmes auf die Festung ist auch am Handy auf der anderen Seite der Brigade zu spüren.

Endlich geht es weiter: mit dem Stadtbus, hinein in eine belagerte Stadt, in der ab 13 Uhr absolut nichts mehr läuft, keine Busse, keine Taxis, verbarrikadierte Geschäfte, an allen Ecken sind starke Polizeieinheiten stationiert, gepanzerte Fahrzeuge, Gitterzäune, eine unnatürliche Ruhe vor dem großen Sturm, der kurz danach losgehen wird.

Ich kann mich kurz vor dem Sturm auf einer menschenleeren Straße mitten in der Stadt in ein Luxushotel retten, das mir freundlicherweise gestattet, hier meine "Zelte" aufzuschlagen. Das Hotel ist völlig ausgebucht, und ich finde mich in der Hall vor dem laufenden Fernsehapparat wieder, wo ein Lokalsender nonstop Direktberichte vom Geschehen der Stadtguerilla liefert. Um mich herum 20 Männer, die dieses Hotel als Hauptquartier benutzen.

Hauptquartier wozu? Als ich den ersten "Bastard" zurufen hörte, als das Fernsehen Szenen von Auseinandersetzungen mit dem schwarzen Block zeigt, beginne ich etwas zu ahnen. Ich sehe die ersten Pistolen unter der Zivilkleidung versteckt und fragte ganz naiv: "Wer seid Ihr? Was tut Ihr hier?" Die Antwort: "Keine Angst, wir sind keine Terroristen", auf meine Rückfrage: "Ihr seid also Polizisten?", bekam ich keine Antwort, sondern nur die Feststellung: "Liebe Frau Journalistin, Sie stellen zu viele Fragen."

Ruth Reimertshofer

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