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Kultur: "G wie Gustav. Mit F.": Herr Gründgens ist nicht zu fassen

Identität ist für einen Schauspieler eine Frage der Kosmetik. Er kneift die Augen zusammen und schmiert sich weiße Schminke auf die Backen.

Identität ist für einen Schauspieler eine Frage der Kosmetik. Er kneift die Augen zusammen und schmiert sich weiße Schminke auf die Backen. Er zieht zwei steile schwarze Striche über seine Brauen, spitzt den Mund und färbt ihn mit dem Lippenstift blutrot. Dann setzt er eine schwarze Kappe auf: Sein Gesicht ist jetzt ein Theatertotenkopf. Helmut Baumann spielt Gustaf Gründgens, der den Mephisto spielt. Die Verwandlung ereignet sich im Berliner Renaissance Theater und ist der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt des Einpersonenstücks "G wie Gustav. Mit F."

Volker Kühn, der das Stück geschrieben und auch inszeniert hat, hält sich an "Mephisto", jenen Roman, in dem Klaus Mann mit seinem einstigen Freund Gustaf Gründgens abrechnete. "Ich spiele den Mephisto, wie ich bin", lässt er Baumann/Gründgens sagen, was bedeuten soll: teuflisch gerissen. Anschließend mischt sich Goethe mit Großdeutschem, faustisches Grübeln mit Durchhalteparolen an die "Männer im Felde, die für den Bestand der europäischen Kultur stehen". So eine Szene kann nur mit einer Hakenkreuzfahne enden, die sich an der Bühnendecke entrollt, auf dass sich die nötige Beklemmung einstelle.

Als "Mann mit vielen Gesichtern" will Kühn den Jahrhundertschauspieler zeigen, als Opportunisten, der nicht mal selber weiß, wer er eigentlich ist. Gleich zu Beginn singt er eine Bekenntnisballade mit schwermütiger Klavierbegleitung: "Denn wer weiß wirklich schon Bescheid/ Bescheid, Bescheid, Bescheid mit seinem eignen Ich/ Nur hier auf der Bühne bin ich etwas besser dran/ Weil ich verschwinden lassen kann, was mich an mir so stört." Helmut Baumann ist eine Idealbesetzung: Seine Ähnlichkeit mit dem Vorbild ist frappierend, den hohen Ton des säuselnden Deklamierens beherrscht er genauso wie die Kunst des pathetischen Gestikulierens. Doch er muss nicht bloß Gründgens, sondern ein ganzes Figurenensemble verkörpern. Im rheinischen Dialekt wechselt er in die Rolle von Mutter Gründgens, die ihren "lieben Jungen" am Telefon von ihren Metzgerbesuchen berichtet. Und als Emmy Göring kommt er im hochgeschlosenen Kleid auf die Bühne gestöckelt. Spätestens da wird aus dem Lehrstück eine Klamotte.

Noch einmal heute[20 Uhr.]

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