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Kultur: Gänseschwäne und Blechkeulen

YOUNG EURO CLASSIC

Es saust und pfeift in der „unsichtbaren Kathedrale“, deren Gewölbe uns der Russe Rodion Schtschedrin in seiner „Symphonie concertante“ suggeriert: Flügelflattern der „Gänseschwäne“. Eine tour de force irrwitziger Kontraste, aber die Junge Philharmonie Russland exekutiert die mörderischen Orchestertutti, ohne mit der Wimper zu zucken. Eben drei Jahre alt ist das Werk – dagegen erleben die „Sieben Stationen in Süd-Ost-Asien“ von Juri Krawassin im Konzerthaus ihre Uraufführung. Seine Spannung gewinnt das von pentatonischen Klängen geprägte Werk durch Wiederholungen. Neben ihrem Mit-Solisten Sergej Rodulgin (Cello) webt Olga Rexroths Violine Silberfäden in den kostbaren Orient-Klangteppich. Im Jahr 1953, als der in Berlin vom Publikum gefeierte Krawassin geboren wurde, trotzte sich Dmitri Schostakowitsch seine zehnte Symphonie ab, über der spürbar der frostige Schatten Stalins liegt. Im melancholischen Eisnebel des Kopfsatzes weiß der Dirigent Alexandré Sladkowski musikalische Phrasen zu verdichten, um sie gleich wieder zum Schmelzen zu bringen. Die wutschnaubende Buckelpisten-Schussfahrt des zweiten Satzes, die schockgefrosteten Blech-Keulen des Allegretto, die falsch jubilierende Tauwetterstimmung des Schlusses: Lässt sich das ausdrucksvoller, bewegender, idiomatischer musizieren als es die Junge Philharmonie Russland vermag?

Jens Hinrichsen

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