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Galerie der Gegenwart: Gefahr im Verzug

Hamburg hat, nach dem Finanzdebakel des Elbphilharmoniebaus, einen neuen spektakulären Kulturkonflikt. Die Galerie der Gegenwart, das 1997 eröffnete Erweiterungshaus der Kunsthalle, soll bis voraussichtlich September geschlossen werden. So hat es Ende letzter Woche die Kulturbehörde verkündet.

Als Grund wurden angeblich unumgängliche Reparaturarbeiten an defekten Brandschutzklappen angegeben. Andernfalls sei „Gefahr im Verzug“.

Doch ebenso wie der Freundeskreis der Kunsthalle zweifelt auch der Hausherr selbst an der Begründung der Behörde für den überraschenden drastischen Schritt. Der seit 2006 amtierende Museumsdirektor Hubertus Gaßner erklärte im „Hamburger Abendblatt“, die Brandschutzklappen seien keineswegs der wahre Grund für die Schließung. Es gehe vielmehr um die Erfüllung von Sparvorgaben und die Auflage der Finanzbehörde, das Haushaltsjahr ohne Defizit abzuschließen: „Wir haben viele Vorschläge gemacht, um die von uns geforderten 220 000 Euro im noch verbleibenden halben Jahr einzusparen, sehen aber keine Alternative.“

Gaßner beklagt, dass die Kunsthalle nicht ausreichend finanziert sei, sondern unter einem hohen strukturellen Defizit ächze. „Wir bemühen uns seit Jahren um einen ausgeglichenen Haushalt, haben aber zum Beispiel die Finanzkrise nicht vorausgesehen.“ Wegen der geplanten Schließung müsse jetzt die geplante Ausstellung mit Werken des britischen Bildhauers und Konzeptkünstlers David Tremlett verschoben werden. „Das schmerzt uns sehr.“ Nur eigene Bestände zu zeigen, sei „der Weg in die Provinz“.

Kultursenatorin Karin von Welck reagierte wenig amüsiert. Sie beharrte darauf, die Verwaltung habe keine andere Wahl gehabt, als das Gebäude wegen Brandschutzauflagen zu schließen. Für kommende Woche lud sie Gaßner zum Gespräch in die Kulturbehörde. Im NDR sagte sie: „Ich glaube, er ist sich nicht ganz klar, dass es in der Tat so ist, dass die Kunsthalle doch sehr froh sein muss, ein wichtiger Faktor in dem Gesamtbudget der Hamburger Kulturinstitutionen zu sein. 10,7 Millionen Euro sind nicht gerade wenig. Wenn er ein bisschen darüber nachdenkt, wird er es vielleicht differenzierter sehen.“

Kollegen aus anderen Museen haben sich auf die Seite des Kunsthallen-Direktors geschlagen. Sabine Schulze vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nahm den Konflikt zum Anlass, „eine ausreichende Grundfinanzierung der Kultureinrichtungen“ zu fordern. Für Martin Roth, den Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, ist die Schließung der Galerie der Gegenwart „ein Hilfeschrei, der ein Grundsatzbekenntnis verlangt“. Er sieht den Fehler in der Vergangenheit: Die Umwandlung der Hamburger Museen in Stiftungen habe endlose Probleme zur Folge gehabt.

Einig sind sich alle, dass die Galerie der Gegenwart unverzichtbar zur Hamburger Kunsthalle gehört. Für den strahlend weißen Kalkstein-Kubus von Oswald Mathias Ungers hatten Künstler eigens Werke konzipiert und installiert, so Richard Serra ein tonnenschweres Blei-Splashing, Ilya Kabakov ein Krankenzimmer und Jenny Holzer ein an der Decke verlaufendes LED-Band. Gesammelt werden in dem Neubau internationale Skulpturen, Malerei, Fotografie und Video-Kunst seit den sechziger Jahren. Die am 9. Mai beendete „Pop Life“-Ausstellung zählte 160 000 Besucher. Sechzig Prozent reisten von außerhalb an. Jetzt schließt die Galerie ausgerechnet zum Beginn der Sommermonate, wenn die meisten Touristen nach Hamburg kommen.

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