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Mutig. Signe Pierce lädt ihr Unterbewusstes in die Cloud.

© Signe Pierce/EIGEN + ART Lab

Gallery Weekend 2019: Verflüssigungen in Neon

Wie im Spiegelkabinett: Die New Yorker Instagram-Ikone Signe Pierce zeigt im Eigen + Art Lab eine hyperreale Version ihrer selbst.

Ich erinnere mich noch an eine Zeit ohne Handys, sagt Signe Pierce. Die Künstlerin aus New York City ist 1988 geboren. Als Teenager kam sie unterwegs auch ohne Google Maps aus und ist froh, ein Leben unabhängig vom Internet zu kennen. Heute undenkbar. Eine neue Ära hat begonnen. Die Künstlerin bezeichnet sich als „Reality Artist“. Das Verschwimmen von digitaler und physischer Realität beobachtet sie im eigenen Leben und es zeigt sich auf verschiedene Weise in ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland.
Drei „Liquid Paintings“ werden als Projektionen auf weiße Leinwände gestrahlt und fangen verschiedene ihrer Selfie-Posen als kurze Video-Loops ein. Wie eine bewegte Wasseroberfläche verzerren sich die Porträts, auf denen man die Künstlerin identifizieren kann, abstrahiert durch viel nackte Haut und ihr wasserstoffblondes Haar. Die schwarze Kamera in ihren Händen fällt durch den Farbkontrast besonders auf. Die digitalen Projektionen fing Pierce ein, indem sie ihre Reflexion vor einer hängenden Mylar-Folie filmte.

Man sieht sich als dutzendfache Reflektion

Dem Verzerrungseffekt nachspüren kann man auch in ihrer Video-Installation. Ähnlich wie im Spiegelkabinett verschwimmen die Umrisse des Betrachters vor flatternden Folien, die von der Decke hängen. Durch die Kamera, die Pierce über den Köpfen der Besucher installiert hat, bekommen die Spiegelungen eine digitale Video-Ebene. So sieht man sich von hinten, von der Seite, im Bild des Bildes und von vorne, je nachdem, auf welche der Reflexionen man gerade achtet. Dass Pierce durch ihre Kamera auf die digitale Überwachung im Alltag anspielt, kommentiert sie ironisch als „beautiful surveillance“. Pierce spielt mit der Ästhetik von Technologie. Die spiegelnden Flächen in der Installation strahlt sie mit knalligen Farben an. Auch ihre "Liquid Paintings" bestechen durch die Künstlichkeit von Neon.

Pierce hebt sich auch ohne Hyperrealität ab

Die Techno-Visuals finden sich am Eröffnungsabend aber auch jenseits der kreierten Hyperrealität in ihrem Outfit wieder. In der analogen Realität hebt sich Pierce durch ihr quietschgelbes Top von der Masse ab. Sie sagt, sie sehe in beiden Welten eine Schönheit. Doch kann die digitale Parallelwelt, die Pierce in einem der Werktitel auch als „Unreality“ bezeichnet, tatsächlich eine eigene, fragile Realität sein? Zöge man den Stecker in der Galerie, blieben abgesehen von Pierces Instagram-Account, der als ihr digitales Markenzeichen weiter im Internet schwirren würde, genau zwei von sechs Werken übrig, die ganz ohne Strom und Technologie funktionieren. Eines davon ist die Fotografie „Performing for a Machine“. Sie zeigt die Künstlerin mit schmollendem Mund und einem Iphone, das sie sich auf den Kopf geschnallt hat. Die Tech-Krone fängt ihr Gesicht von schräg oben ein. Man erkennt darin die Verwobenheit der analogen mit der digitalen Realität. Auch wenn sie uns nur als Oberfläche eines Bildschirms erscheint; Pierce zeigt, wie die digitale Technik unsere Wahrnehmung erweitert und, einmal in Gebrauch genommen, schwer zu ignorieren ist.

Eigen + Art Lab, Torstr. 220, bis 15.6., Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-18 Uhr

Lorina Speder

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