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Überlebensgroß. Die Installation des in Peking verschleppten Ai Weiwei bei Neugerriemschneider bringt totes Holz und Porzellan zusammen.

© Galerie

Gallery Weekend: Kunst aus China – und die Briten überall in Berlin

Ai Weiwei, der wichtigste Gast fehlt. Um den Aufbau der Ausstellung des chinesischen Künstlers in der Galerie Neugerriemschneider haben sich andere gekümmert - und totes Holz und Porzellan zusammengebracht.

„Where is Ai Weiwei?“ Mit diesen Worten wird der Weekend-Besucher auf dem Weg zur Galerie Neugerriemschneider empfangen. Ein großes, weißes Transparent hängt im Hof und macht klar, dass in den Räumen zwar eine Ausstellung des chinesischen Künstlers wartet. Doch um ihren Aufbau haben sich in den vergangenen Wochen andere gekümmert und nach Ais Plänen eine stilisierte Landschaft aus mächtigen Ästen und feinen, bemalten Porzellanobjekten gebaut.

Der Künstler ist sich der Risiken seiner politisch konnotierten Kunst stets bewusst gewesen und hat Anweisungen für Notfälle gegeben. Dazu gehört auch die Fortsetzung dieser Arbeit, erklären die Galeristen. Wer die Berliner Installation aus zwei „Trees 2011“ und mehreren „Rocks 2011“ sieht, die die Größenverhältnisse extrem verzerrt und Bäume aus totem Holz in den Himmel wachsen lässt, steht staunend und stumm davor. Das Transparent stammt von Rikrit Tiravanija, der ebenfalls zu den Künstlern von Neugerriemschneider gehört.

In Interviews und Diskussionen meldet sich seit Wochen Alexander Ochs, Berlins bester Kenner der chinesischen Kunstszene, zu Wort. In seiner Galerie stellt Ais langjähriger Assistent Zhao Zhao erstmals im Ausland eigene Arbeiten vor, darunter Porträts von Ai Weiwei. Auch wenn Zhaos Werk nicht dasselbe Gewicht hat, macht es doch klar, was in diesen Wochen zählt – Präsenz gegen das schnelle Vergessen.

Zwei Momente, die zeigen, dass business as usual an diesem Wochenende kaum möglich ist. Dabei hätte das Gallery Weekend allen Grund zum Feiern: Im siebten Jahr kann sich die Berliner Initiative neben der Art Basel zu den wichtigsten Ereignissen im Kunstfrühling zählen. Längst eröffnen und feiern am heutigen Freitag nicht mehr nur die 44 teilnehmenden Galerien. Die halbe Stadt steht kopf, während Orte von off space-Qualität bis zu den Institutionen von jenem Sog profitieren, den das Gallery Weekend entwickelt. 700 internationale Sammler waren 2010 angekündigt, diesmal sollen es tausend sein. Da scheint auch niemanden zu stören, dass mit Sprüth Magers und Eigen + Art gleich zwei Galerien aus der Reihe tanzen: Ihre aktuellen Ausstellungen sind schon seit Wochen zu sehen.

Ein Thema kristallisiert sich bei aller Arbeit an der Individualität aber doch heraus. Berlin hat Großbritannien auch abseits der königlichen Hochzeit im Fokus und schaut auf die dortige Kunstszene. Was ist passiert, seit Charles Saatchis „Sensation“-Ausstellung durch die Welt tourte und vor gut einem Jahrzehnt auch im Hamburger Bahnhof landete? Und was machen jene Künstler, die von den Erfolgen der Young British Artists damals nicht profitierten? Bei Matthias Arndt treten die großen alten Herren Gilbert & George auf, die im London der sechziger Jahre als lebende Skulpturen begannen und inzwischen wandfüllend collagieren. Tony Cragg zeigt neue, spielerische Skulpturen in der Galerie Buchmann, während sich Glenn Brown mit seinen düster-surrealen Porträts in der temporären Galerie von Max Hetzler austobt. Für den Kontrast sorgt die Galerie Johnen mit dem britischen Konzeptkünstler Martin Creed, der 2001 als Turner-Preisträger die Lampen in Tate Gallery an- und ausgehen ließ.

Isabella Bortolozzi (Schöneberger Ufer 61) gehört zwar nicht zu den offiziellen Teilnehmern des Gallery Weekend, ergänzt es in ihrer Galerie allerdings um die dritte Einzelpräsentation von Susan Philipsz, die vergangenes Jahr den Turner-Preis gewonnen hat. Ganz in der Nähe eröffnen an diesem Freitag in der ehemaligen Druckerei des Tagesspiegels in der Potsdamer Straße die neuen Räume von Harry Blain und Graham Southern. Dass ihnen bis vor einigen Jahren die Galerie Haunch of Venison gehörte, bevor das Duo sich für einen Verkauf an Christie’s entschied und das Auktionshaus im Dezember seine Berliner Räume schloss, interessiert inzwischen kaum noch. Spannender ist, wie sie ihren Wiedereinstieg in der Stadt mit dem britischen Künstlerpaar Sue Webster und Tim Noble inszenieren. Ein Schwerpunkt, bei dem man fragen kann, ob sich hier eine „New Sensation“ ankündigt.

Eine kleine Sensation immerhin ist die Eröffnung der Galerie Esther Schipper am Schöneberger Ufer 65. Schon zur Jahreswende hatte die Galeristin am neuen Ort ausstellen wollen, dann gab es Verzögerungen beim Umbau. Nun ist sie mit Gabriel Kuri angekommen – kein Brite, aber auch ein fantastischer Künstler.

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