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Die Serie „Asbest“ läuft seit Januar in der ARD-Mediathek.

© ARD Degeto/Pantaleon Films GmbH/Mirza Odabasi / ARD Degeto/Pantaleon Films GmbH/Mirza Odabasi

Gangsterfilme aus Berlin: Viel Gewaltverherrlichung, wenig Inhalt

Drogen, Intrigen, Haftstrafen - in Serien wie „4 Blocks“ und „Asbest“ dreht sich viel um die Kriminalität in migrantischen Bezirken.

Ein Kommentar von Büşra Delikaya

| Update:

Die Serie „4 Blocks“ erzählt von libanesischen Brüdern in Berlin, die kriminellen Geschäften nachgehen. Ein Selbstläufer, der den Erfolg von Serien wie „Skylines“ und jüngst „Asbest“ den Weg ebnete. Ja, die deutsche Fernseh- und Streaminglandschaft liebt die migrantischen Gangster.

Nicht die Art von Gangstern, die fürs Studium nach Berlin gezogen sind und sich vor den hippen Clubs der Stadt verstohlen das eine oder andere Apothekerbriefchen zuschieben. Und auch nicht die organisierten Gangsterbanden, die sich im steuerrechtlichen Untergrund mit dem Finanzamt anlegen und ein paar Hunderttausend Euro Richtung eigene Taschen schieben.

Gewalt und Kriminalität wird romantisiert

Zur Prime Time der Öffentlich-Rechtlichen und Streamer will man lieber Geschichten von Gangstern sehen, die Momo und Abbas heißen, gerne Jogginganzüge tragen und im HInterzimmer eines Berliner Shisha-Cafés ein paar lila Scheine zählen. Den meist weißen Regisseur:innen zufolge befinden sich Gangster in Bezirken wie Neukölln und deren Gewaltexzesse und kriminellen Machenschaften werden dann als herkunftsbasierte Distinktionsmerkmale romantisiert.

Der „Kanaken-Gangster“, der Ausländer als Teil eines tribalen Netzwerks namens Großfamilie, ist ein Fernsehschmaus für die deutschen Zuschauer:innen. Und auch die Feuilletons erfreuen sich an dem Untersuchungsobjekt des kriminellen Neukölln.

Abenteuerliche Expedition aus bürgerlicher Distanz

Also dort, wo auch Deutschrap und migrantischer Jugendslang von der deutsch-deutschen Intelligenzija im journalistischen Elfenbeinturm durch die elitär-eurozentrische Brille nur allzu oft seziert wurde.

Es sind keine tieferliegenden sozioökonomischen Probleme und (bezirks)politisches Versagen, die im Film oder in den Kritiken diskutiert werden, sondern das fremde Neukölln an sich und die darin lebende Spezies des migrantischen Gangsters, die als homogene Masse mit hochinteressanten, folkloristischen Eigenarten die kulturwissenschaftliche Interpretierfähigkeit des deutschen Intellektuellen herausfordern. Eine abenteuerliche Expedition aus bürgerlicher Distanz.

Die Sprache der Gangster, ihre Erscheinung, ihr Auftreten: alles daran soll charakteristisch für Ausländer per se sein. Dabei bilden Gangsterfilme aus sogenannten sozialen Brennpunkten ja eigentlich nur einen gesamtgesellschaftlich fehlerhaften Umgang mit Einwanderung und anderen Kulturen in Deutschland ab.

Was nicht verstanden, weil vernachlässigt wird, wird karikiert. So wird der Gangster in Neukölln zum Auswuchs des Modell-Migranten, ein partout nicht integrierbarer Mutant, der außer Kontrolle geraten ist. Ein ideales Drehbuchszenario. Wer braucht da schon ein Neukölln, das weder romantisiert noch rassifiziert oder fetischisiert, sondern als ein stinknormaler Berliner Stadtbezirk behandelt wird. 

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