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Kultur: García Lorca im Apollo-Saal der Berliner Staatsoper - Ein Stück von Torsten Händler

Das Reich der Mutter ist ein Mausoleum, in dem die Töchter bei lebendigem Leib begraben sind. Aus "Bernarda Albas Haus" sind alle Sinnlichkeit und Vitalität ausgesperrt.

Von Sandra Luzina

Das Reich der Mutter ist ein Mausoleum, in dem die Töchter bei lebendigem Leib begraben sind. Aus "Bernarda Albas Haus" sind alle Sinnlichkeit und Vitalität ausgesperrt. Und konsequenterweise hat Federico García Lorca in seiner "Frauentragödie aus spanischen Dörfern" den Mann von der Bühne verbannt. Pepe el Romano, der alle weiblichen Sehnsüchte auf sich zieht, tritt nie in Erscheinung. Der Abwesende entfacht ein stärkeres Begehren als der körperlich Anwesende. García Lorcas Frauentragödie steht derzeit auffallend oft auf dem Spielplan. Torsten Händler, Erster Solist des Ballettensembles der Staatsoper, hat für den Apollo-Saal eine verharmlosende Ballettversion erarbeitet, die sich vor allem durch eine dramaturgische Kühnheit von anderen Inszenierungen abhebt: Pepe, der imaginäre Beglücker, nimmt hier leibhaftig Gestalt an - Enttäuschung bleibt da nicht aus.

Der Mann im Frauenhaus: dadurch verschiebt sich das Kräfteverhältnis des Stückes, verbiegt sich die ganze Dramatik. Wenn der blonde Michael Rissmann als Pepe in zu engen Hosen einherschreitet, soll das Macho-Klischee übererfüllt werden - das wirkt nicht mannhaft, sondern lachhaft. Jörg Lucas thront als Despotin Bernarda Alba steif auf dem Sessel; die Bedrohlichkeit, die von dieser Vertreterin einer erstarrten Ordnung ausgeht, wird momentweise greifbar.

Die aparte Bettina Thiel, sonst gern als erotische Wunderwaffe eingesetzt, muss die älteste und häßlichste der Töchter in altjüngferlichem Altrosa tanzen. Das sinnliche Verlangen - so wird suggeriert - kleidet das späte Mädchen wie ein schlaffer Strumpf. Für das weibliche Begehren findet der Choreograf keinen Ausdruck - das plötzliche Aufflammen von Lebens- und Liebeslust unter den Töchtern wirkt wie ein Aufruhr im Mädchenpensionat. Die Musikcollage mit überwiegend spanischen Kompositionen lässt immer wieder ein melancholisches Sehnsuchtsmotiv erklingen - die choreografische Entsprechung aber bleibt blass und floskelhaft. Torsten Händler zitiert den spanischen Tanz, aber er zeigt eine Light-Version für die balletösen Fliegengewichte, während der Flamenco ein Tanz aus echtem Schweiß und Stolz ist.

Die düstere Dramatik weicht der Trivialisierung: Torsten Händler akzentuiert den Sexualneid unter Frauen, und für den Selbstmord der jüngsten Tochter findet er eine Federico García Lorca widersprechende Erklärung: Adela wird von Pepe erst flachgelegt, dann weggeworfen. Dieser Ballettabend steht nicht nur choreografisch auf schwachen Beinen, die naive Lesart amputiert den Text auch um seine politisch-kritische Dimension.

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