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Blühende Geschichte. Wenn Annekatrin Wagner zum Blankenburger Schloss führt, verwandelt sie sich in Fürstin Christine Luise. Die hielt hier Hof im 17. Jahrhundert.

© Hella Kaiser

Gartenkunst in Sachsen-Anhalt: Der Adel hatte Geschmack

50 auf einen Streich: Sachsen-Anhalt ist reich an historischen Park- und Gartenanlagen. In Blankenburg kann man von einer zur anderen wandern.

Der Dichter liebte die Natur. Auch wenn Goethe fand, dass „alles Menschenwerk“ nicht taugte, sie in Schönheit zu übertreffen, bisweilen staunte er, wie man sie gestalten konnte. Im Mai 1778 etwa notierte er nach einem Besuch in Dessau-Wörlitz: „Mich hat’s gestern Abend, wie wir durch Seen, Kanäle und Wäldchen schlichen, sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich herum zu schaffen.“ Die Begeisterung teilen auch heute viele Besucher. Das Gartenreich gehört seit zwanzig Jahren zum Weltkulturerbe der Menschheit. Wer zwischen alten Bäumen, bunten Blumen und schimmernden Teichen schlendern will, wird hier glücklich.

Sichtachsen wurden freigelegt, historische Gemäuer restauriert

Während das berühmte Gartenreich nicht viel Werbung braucht, sind andere Orte in Sachsen-Anhalt zu Unrecht kaum bekannt. Wer weiß schon, dass es 50 (!) historische Park- und Gartenanlagen in dem Bundesland gibt? Und jede hat ihren eigenen Charme. Vieles ist in den vergangenen Jahren liebevoll restauriert worden, zugewachsene Sichtachsen wurden freigeschlagen, Beete wiederhergestellt, barocke Gemäuer restauriert. So etwa in Blankenburg, ein knapp 20 000-Einwohner-Städtchen am Nordrand des Harzes.

Auf Wunsch führt Annekatrin Wagner Besucher durch den Schlossgarten. An diesem Sommertag im August trägt sie ein pastellfarbenes, üppig geschnittenes langes Blümchenkleid, auf dem Kopf hat sie einen kecken Strohhut befestigt. „Ich bin jetzt hier als Fürstin Christine Luise“, erklärt sie lächelnd. Mit ihrem Gemahl Ludwig Rudolf, der 1714 der erste Fürst von Blankenburg geworden war, hielten die beiden prächtig Hof. Jagden und Feuerwerke wurden organisiert, eine umfangreiche Bibliothek gab es – und einen Theatersaal. Friederike Caroline Neuber (1897–1760), die legendäre Neuberin, soll hier aufgetreten sein. Das Fürstenpaar unterstützte vehement Neubers Reformkunst auf der Bühne.

Schmuckes Sachsen-Anhalt. Hier eine Gasse in Quedlinburg.
Schmuckes Sachsen-Anhalt. Hier eine Gasse in Quedlinburg.

© Hella Kaiser

Der Theatersaal wurde inzwischen restauriert, große Teile des lange leerstehenden Schlosses harren noch der Sanierung. So ist vor allem der Weg das Ziel. Der Park mit seinen sorgsam bepflanzten Terrassen würde dem Fürstenpaar auch heute gefallen. Lustig-verspielte Putten sitzen versteinert da, eine Neptungrotte ist vorhanden, natürlich sprudelt auch ein Brunnen. Die Anlage wurde nach der Wende noch einmal verschönert, aber, so berichtet Annekatrin Wagner, der Zustand sei passabel gewesen. „1981 wurde der barocke Park in die DDR-Denkmalliste eingetragen.“

Jugendstilvillen als repräsentative Sommersitze

Das Kleine Schloss komplettiert die Anlage, das einstige Teehaus „auf halber Höhe“ beherbergt heute ein Lokal mit charmantem Gastgarten. Von dort hat man einen schönen Blick über Blankenburg und kann schon mal anfangen, all die Jugendstilvillen zu zählen. Zahlreiche Unternehmer ließen sich repräsentative Sommersitze bauen. Ein türmchenbewehrtes Herrenhaus etwa entstand 1893 nah am Schlosspark, heute das Hotel Viktoria Luise. Die 20 Jahre zuvor fertig gestellte Bahnstrecke Halberstadt-Blankenburg lockte Urlauber in die gute, reine Luft am Harzrand. Um 1900 herum tauften Spötter den Ort „Pensionopolis“.

Blick aufs "Kleine Schloss" in Blankenburg
Blick aufs "Kleine Schloss" in Blankenburg

© Hella Kaiser

Wenn die Sinne schon betört sind von (gepflanzter) Schönheit, wartet Blankenburg mit einer weiteren Attraktion auf. Denn zum Ort gehört auch das Kloster Michaelstein, ehemals von Zisterziensern gegründet. Kreuzgang, Refektorium oder Kapitelsaal, dazu ein beinahe wuchtiges Torhaus, sind zu durchschreiten. Das Beeindruckendste aber sind die Klostergärten, die von 1990 an gemäß alter Pläne hier wieder entstanden sind.

Im Kräutergarten, der viel Platz hat neben den dicken Klostermauern, wachsen nun mehr als 260 verschiedene Arten, Lavendel natürlich, Eibisch, Bärlauch Seifenkraut, Katzenminze. An Schildern ist abzulesen, gegen welche Krankheiten sie helfen sollten. Ein duftender Ort zum Lernen. Daneben existiert ein Gemüsegarten – ohne Tomaten, Paprika oder Kartoffeln –, weil die Mönche Derartiges nicht kannten. Vorhanden ist auch eine Abteilung für alte Apfelsorten. Summa summarum sind drei Gärten zu entdecken, und während es mittendrin summt und brummt, sagt Klosterleiter Simon Sosnitza leichthin: „Wir sind auch ein Ort der Artenvielfalt.“

Schmuckes Sachsen-Anhalt. Hier eine Gasse in Quedlinburg.
Schmuckes Sachsen-Anhalt. Hier eine Gasse in Quedlinburg.

© Hella Kaiser

Das Kloster huldigt dem Erfindergeist und stellt die Musikmaschine von Salomon de Caus aus. Der Franzose, geboren 1576, hatte sie für den Heidelberger Schlossgarten entworfen. Zur Ausführung kam es nie, doch die Pläne blieben erhalten. Nach ihnen haben Studenten der Technischen Hochschule Aachen 2012 das Wunderwerk gefertigt. Drei Wasserräder treiben eine stiftwalzengetriebene Orgel an und setzen eine Nymphe in einem Kanal in Bewegung. Die fantastische Caus’sche Maschine steht in einem extra Gebäude auf dem Klostergelände. Schade, dass die Nymphe nicht plein air im Schlossgarten ihre Runden dreht.

Kinder pflanzen Obstbäumchen

Ganz Sachsen-Anhalt – ein Gartenreich. Aber wie kommt das? Auf Burg Freckleben etwa, die von einem rührigen Verein nach und nach restauriert wird, ahnt man eine Antwort. Eine Kindergartengruppe stapft den Burgberg hinauf und entert den noch etwas kahlen Garten. Alles ist ja noch im Werden. Die Kleinen haben Gießkannen in der Hand. „Jedes Kind hat ein Bäumchen gepflanzt“, erklärt eine Betreuerin. Eins wollte ein Pflaumenbäumchen, ein anderes wählte Kirsche, ein drittes einen Apfelbaum. Nun kommen sie jeden zweiten Tag her, um zu gießen, voller Eifer – und mächtig stolz.

In Sachsen-Anhalt gedeiht etwas.

Mehr zum Entdecken

Vor 20 Jahren wurde die Idee geboren: Denkmalpfleger, Gartenliebhaber und Visionäre gründeten das Projekt „Gartenträume Sachsen-Anhalt“. Was daraus

geworden ist, sollte in diesem Jahr ausgiebig gefeiert werden. Corona vereitelte die Feste. Aber die Pracht lässt sich auch ohne Events genießen, oft in aller Stille. Alle Anlagen sind für Besucher geöffnet. Das Schöne:

Nirgends ist es überlaufen. Die folgenden drei Beispiele spiegeln die große Vielfalt wider.

Leuchten in Aschersleben

Lange galt das Städtchen als trist und grau. Reisende machten einen großen Bogen drumherum. Doch mit der Landesgartenschau 2010 blühte Aschersleben förmlich auf. Grüne Achsen zwischen Alt und Neu entstanden, leuchtende Promenaden und in den Stadtpark plumpste ein Globus. Er ist geblieben, die Bepflanzungen werden gehegt und gepflegt. Die neu polierte Altstadt ist von einem grünen Ring umschlossen.

Lehrgarten. Jedes Kraut am Kloster Michaelstein ist leicht zu identifizieren. .
Lehrgarten. Jedes Kraut am Kloster Michaelstein ist leicht zu identifizieren. .

© Hella Kaiser

Zur Kunst spaziert man durch den Park. Neo Rauch hat Aschersleben, wo er die Jugend verbrachte, ein tolles Museum geschenkt. (aschersleben-tourismus.de)

Wiedererwachtes Barock

Unweit der Autobahn A 2 zwischen Magdeburg und Helmstedt entfaltet sich die Pracht von Schloss Hundisburg. Fotos von 1990 zeigen eine bedauernswerte Ruine, im einstigen Barockgarten stand ein Fußballtor. Nun ist das Gebäude, „eine Verbindung aus norddeutscher Burg und venezianischem Palast“, wie Zeitzeugen einst priesen, wieder schmuck. Der sorgsam nach historischem Muster rekonstruierte Park – eine Augenweide. (schloss-hundisburg.de)

Vieldeutig. In Neo Rauchs Graphik lässt sich viel hineininterpretieren.
Vieldeutig. In Neo Rauchs Graphik lässt sich viel hineininterpretieren.

© Hella Kaiser

Grün zum Verlaufen

Jemals von Altjeßnitz gehört? Der Ort liegt im südöstlichen Teil Sachsen-Anhalts, nahe Sachsen. Hier im Gutspark entstand Mitte des 18. Jahrhunderts der größte historische Irrgarten Deutschlands. Doch die Wege zwischen den zwei Meter hohen Hainbuchhecken sind verflixt eng. Daher wollte man kein Risiko eingehen, und so ist der Park wegen Corona derzeit geschlossen. Ob man sich dieses oder erst kommendes Jahr wieder verlaufen darf, entnimmt man der Website. (irrgarten-altjessnitz.de)

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