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Kultur: Gebenedeit unter den Leibern

Die Drogenkurierin: Joshua Marstons Erstling „Maria voll der Gnade“

„Si, señor“, sagt Maria zu ihrem Vorgesetzten. Und die Worte gehen ihr nicht leicht über die Lippen. Maria ist siebzehn. Sie arbeitet in einer kolumbianischen Rosenplantage, in der sie die Blumen von ihren Dornen befreit. Der Job, ausbeuterisch und monoton, geht ihr auf die Nerven. Wie ihr überhaupt manches nicht passt. Maria lebt mit ihrer Familie in einer engen Wohnung. Sie ist schwanger von einem Nichtsnutz von Mann. Ausgerechnet in dieser Situation lernt sie einen Kerl kennen, der ihr eine Menge Geld verspricht. Der Haken: Maria soll verpacktes Heroin schlucken und ins Land der Gringos schmuggeln. Wenn eines der Päckchen reißt, stirbt sie. Wenn sie von den Zollinspektoren gefasst wird – Pech gehabt. Wenn es gut geht, fängt alles von vorne an. Man möchte sie warnen: Die Sache ist eine tödliche, Maria! Doch natürlich nimmt sie an.

Eine nervenaufreibende Reise ist das vom Hinterland Kolumbiens in die Hinterhöfe von Little Columbia: Der Film bleibt immer dicht an der Hauptfigur – und an dem Milieu, in dem sie sich bewegt: sei es das Hinterzimmer der Dealer, in dem das Heroin verpackt wird; sei es das Netzwerk der kolumbianischen Einwanderer in New York. Und tut dies durchaus unsimpel: Selbst die Drogenmänner sind keine eindimensionalen Schufte. Das alles aber wäre nicht viel wert, hätte Regisseur Joshua Marston für seinen Erstlingsfilm nicht diese Maria entdeckt – gebenedeit mit einer Natürlichkeit von Elodie-Bouchez-artigen Ausmaßen. Die Novizin Catalina Sandino Moreno, in diesem Jahr für den Oscar nominiert, ist alles ohne Mühe: mal ängstlich, mal wütend, mal zögernd, mal schnippisch, mal charmant und dann wieder verkniffen. Und dann gibt es die Momente, in denen sie doch zu weinen beginnt. Bei diesen Szenen bekäme selbst der dreckigste Dirty Harry glasige Augen. Die Frau neben mir im Kino hat ein Taschentuch zu Brei geheult.

„Maria voll der Gnade“ ist ein bewegender, für ein Debüt ausgesprochen runder Film. Aber: Er ist nicht perfekt. Indem er von Anfang an beharrlich auf den Katholizismus verweist, lädt er sich eine Bürde auf, die er eher ungelenk über die Zeit schleppt. Wenn etwa der Dealer Maria die Drogenpäckchen zureicht, soll das an einen Priester erinnern, der während der Kommunion den Leib Christi verteilt. Doch was will Marston damit sagen? Dass Maria voll der Gnade ist, weil sie Heroin in unchristlichen Mengen in ihrem Inneren verstaut? (Nebenbei: Wer aus Bayern stammt, hat zudem damit zu kämpfen, dass die Päckchen schwer an Mini-Weißwürste erinnern.) Und noch ein Vorwurf, an dem der Film allerdings auch nicht generell scheitert: Der Film liefert uns keinen überzeugenden Grund, weshalb Maria ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel setzen sollte. Unserer unzufriedenen Heldin wäre es fraglos ein Leichtes die Männer des Drogenkartells abzuweisen – mit einem kurzen „No, señor“.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Delphi, FT Friedrichshain, Kulturbrauerei, Central (OmU), Neues Off (OmU)

Julian Hanich

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