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Kultur: Gebet ohne Hoffnung

Die "Eroica" setzt Lior Shambadal offenbar mit Vorliebe zur Sommerzeit aufs Programm.Im vorigen Jahr zum Beispiel beim unvergessenen Borsighallen-Konzert der Berliner Symphoniker.

Die "Eroica" setzt Lior Shambadal offenbar mit Vorliebe zur Sommerzeit aufs Programm.Im vorigen Jahr zum Beispiel beim unvergessenen Borsighallen-Konzert der Berliner Symphoniker.Damals ließ er auf den Beethoven ein buntes Sommerabendprogramm folgen.Diesmal erhielt in der Philharmonie die "Eroica" das Schlußwort - und eine ihr hinreichend angemessene Sinfonie aus unserer Zeit leitete das Konzert mit den Berliner Symphonikern ein.

Arthur Honeggers Symphonie Nr.3 "Liturgique" (1945/46) erklang.Und Shambadal und sein Orchester ließen keinen Zweifel daran, daß die so schmerzzerrissene wie tiefgründige Klangsprache der "Liturgischen Sinfonie" auch heute noch ins Schwarze trifft.Der Schweizer Komponist will "die Auflehnung des modernen Menschen gegen die Flut der Barbarei, der Dummheit, des Leidens" und im Finale schließlich die Vision vom "ersehnten Frieden" sinnbildlich darstellen ...Daß die Auseinandersetzung mit den jeweiligen geistlichen Texten nicht nur sehr persönlich und anrührend ausgefallen ist, sondern auch niederschmetternd, war nicht zu überhören.Vor allem nicht im zweiten Satz "De profundis clamavi", der Bach nahesteht und von Honegger als ein "Gebet ohne Hoffnung" benannt wurde.Der wieder heißblütig mit einer dramatisch insistierenden, schlüssigen Konzeption zu Werke gehende Dirigent und die mit dementsprechend beschwörender Expressivität musizierenden Symphoniker beschönigten nicht im mindesten diese ambivalente Haltung Honeggers.Die dissonanzenknirschenden Zornes- und Protestschreie, überhaupt den ganzen inneren Spannungsreichtum des viel zu selten zu hörenden Werkes brachten sie in der Tat mit beunruhigender Deutlichkeit und Unmittelbarkeit heraus.Zudem leuchteten auch die Feinheiten und Farben der Honegger-Sinfonie in zeitnaher dynamischer Schönheit.Nicht nur die klangmächtigen Tuttistellen, auch die zart dahinschwebenden Soli kamen hervorragend zur Geltung, wenn man nur an das zum Schluß lustvoll leicht brillierende Pikkolo denkt.Eine solche Intonationspleite, wie sie unlängst die Staatskapelle beim "Zarathustra"-Schluß bescherte, ersparten sich die Berliner Symphoniker beim Honegger-Finale mit den heiklen Flöten-Arabesken.Berlin braucht dieses Orchester.Eigentlich müßte das auch der Senat wissen.

ECKART SCHWINGER

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