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Kultur: Geister am Mummelsee

LIED (1)

Lästige Rezensenten befördert man am besten mit einem wohl gezielten Fußtritt die Treppe hinunter. Diese Lehre aus einem der köstlichsten Lieder von Hugo Wolf erteilt Robert Holl mit drohendem Augenrollen. Da gluckst es im Publikum. Mit opernhafter Verve und eherner Stimmgewalt nähert sich Holl diesem gesamten 2. Teil des Hugo-Wolf-Projekts im Konzerthaus. Schmelzend strömt die Stimme in den ersten Mörike-Gesängen, findet dann bei den irrlichternden „Geistern am Mummelsee“ zu umso differenzierterer Artikulation. „Auf eine Christblume“ ist erster Höhepunkt entspannter Gestaltung, und im rasant vorangetriebenen „Feuerreiter“ zeigt Klavierpartnerin Elena Bashkirova, was sie alles kann.

Doch der dezidierte Gestaltungsanspruch wird den Interpreten gleichzeitig zum Verhängnis. Immer wieder verdeckt rubatogeschwängertes, klanglich verdicktes Pathos Wolfs Modernität, rückt seine empfindlichen Wort-Ton-Gebilde ins Licht fragwürdiger Romantik-Klischees erscheinen. Muss etwa „Verborgenheit“ („Lass, o Welt“), so schwülstig verschleppt werden? Hier stellen sich auch die berüchtigten von unten hochgeschleiften Töne ein, und so entsteht eher Betulichkeit als stille Innenschau. Warum erhält „Anakreons Grab“ (Goethe) kein natürlich fließendes, gefährlicher Süßlichkeit entgegen wirkendes Tempo, sondern wird in überpointierte Einzelteile zerhackt? Und „in der Mitten liegt holdes Bescheiden“ sollte auch im „Gebet“ (Mörike) beherzigt werden – Einfachheit täte solchen Liedern, ehemaligen Salonschlagern unserer Großmütter, gut. Die künstliche Welt des „Italienischen Liederbuchs“ kommt Holl besser entgegen, ebenso wie er das Pathos und die tiefe Melancholie der „Michelangelo-Lieder“ mit ebenmäßigerer Linienführung und dennoch plastischem Leben erfüllt.

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