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Kultur: Geister, die er rief

Als Deep-Purple-Gitarrist ist Ritchie Blackmore eine Rocklegende. Heute will er davon nichts mehr wissen. In Spandau zupft er die Laute

Im Kellergewölbe von Schloss Klaffenbach sitzt Ritchie Blackmore im Kerzenschein. Die Tournee des Mannes, der in den Siebzigerjahren mit der Rockband Deep Purple Musikgeschichte schrieb, beginnt in einem sächsischen Schloss. Blackmore ist ein Veteran – und ein Opfer. Ein Rockversehrter, dem ein permanentes Sausen in den Ohren geblieben ist. Vom Donnern der Vergangenheit. „Smoke On The Water“, „Black Night“, „Space Truckin’“ sind Klassiker des Hardrock.

Für Ritchie Blackmore sind sie Geschichte. Der Deep-Purple-Gitarrist verdreht die Augen, wenn er auf diese Titel angesprochen wird. Immer wieder erscheint ihm das fahle Gespenst seiner 1968 gegründeten Band, deren Name damals auf die psychedelische Modedroge LSD anspielte. Am Wochenende trat der ehemalige Rocker im Chemnitzer Schlosshof auf, an diesem Mittwoch spielt er in der Spandauer Zitadelle. Vor einem begeisterten Publikum, das mit den Deep-Purple-Stücken mehrheitlich nichts anfangen kann.

Blackmores neue Fans tragen Kettenhemd statt Lederjacke und geflochtene Zöpfe statt Matte. Denn ihr Idol ist mittlerweile eine Ikone der Mittelaltermusik – oder dessen, was man heute dafür hält. Schon vor zehn Jahren tauschte der Musiker die elektrische Gitarre gegen eine Laute. Nun zupft er Balladen. Seine mittelalterlich angehauchten Lieder spielt er ausschließlich auf Burgen und Schlössern – was bei manchen alten Fans gelinde gesagt Verwunderung erweckt.

„Das Beste, was man an einem gewissen Punkt machen kann, ist eine neue Band gründen – mit grundlegend neuer Musik und neuen Leuten“, sagt der heute Sechzigjährige. Unüberschaubar sind die Reunions, Auflösungen, Neugründungen und Umbesetzungen um Deep Purple und Blackmores zweite Band Rainbow. „Als Deep Purple 1985 wieder zusammenkamen, habe ich nur wegen des Geldes mitgemacht“, bekennt der langhaarige Altrocker. Die so erweckten Wiedergänger des Stadionrock lassen Blackmore bis heute keinen Frieden. So tut er nun das, was auch der geistersehende Hamlet tat – er gibt den augenscheinlich Seltsamen. Im Jahr 1996 gründete er die Mittelalterkapelle Blackmore’s Night. Die Fender Stratocaster schloss er weg, zu seinem eigenen Schutz, und schlüpfte in Strumpfhosen, Lederwams und Samthemd.

Bei den Auftritten steht Blackmores Lebensgefährtin Candice Night offiziell der Band vor – sie hatte sich einst aus dem Rainbow-Background in den Vordergrund gesungen. Ihre Engelsstimme scheint direkt aus einer Fantasiewelt hinüber zu tönen – jedenfalls von jenseits des Mainstreams. Dies tut sie nicht ohne Erfolg. 1997 rutschte „Shadow Of The Moon“, das merkwürdige Debüt von Blackmore’s Night, in Japan auf Platz 14 der Charts. Iin Deutschland hielt sich das Werk 17 Wochen in der Hitparade.

„Es gibt soviel Hass, dass die Welt zu explodieren scheint. Wir brauchen Heilung – dazu soll unsere Musik einen Beitrag leisten“, erklärt sich Candice Night ihren Erfolg und schaut aus großen Augen zu Blackmore auf. Der wehrt sich gegen die Totenbeschwörer, die nicht lernen wollen, dass Deep Purple begraben ist. „Ich glaube, Ian Gillen, der ehemalige Sänger von Deep Purple, findet das, was ich jetzt mache, peinlich. Aber ich mag seinen Kram auch nicht sonderlich“, erläutert Blackmore das Verhältnis zu seiner durch Gillen personifizierten Vergangenheit. Die steht auch für einen großen Teil der Fans von früher, die er nicht ins Mittelalterlager hinüber ziehen konnte.

Doch wenn er auf der Bühne unter der Krempe seines Schlapphutes hervorblickt, ist er nicht ein in die Binsen gegangener Barde in Strumpfhosen, sondern das musikalische Zentrum der Band – alles hört auf sein Kommando und weniger auf Candice. Ein beiläufiges Zucken des dünnen Schnurrbarts, und die Band gibt ihm sofort Raum für ein Solo oder eine Improvisation. So gesehen spielt Ritchie Blackmore weiterhin Rock – auf seine Art. „Strukturell ist die Renaissancemusik nichts anderes als Rock“, behauptet er. „Die Harmonien sind zum Beispiel denen von ’Smoke On The Water’ sehr ähnlich.“

So wie sich der Spielmann Volker von Alzey in der Nibelungen-Sage gegen die kämpferischen Hunnen wehrte, so wehrt sich Blackmore gegen die Musikindustrie. „Geld ist der einzige Antrieb der heutigen Rockmusik. Ich habe Stadien gefüllt, nun habe ich das Bedürfnis an kleinen, mystischen Orten zu spielen.“

Ein Fanclub in mittelalterlichen Gewändern, der dem Star die Nibelungentreue hält, wurde einmal bei der Fernseh-Aufzeichnung eines Konzerts an den Bildrand gedrängt. Dabei sind diese bedingungslosen Fans ein wichtiger Teil von Blackmore’s Night. Es sind friedliche Zeitgenossen, die eine laute E-Gitarre eher erschrecken würde. Bei solchen Konzerten geht es auch Blackmore gut. Dann lässt das Getöse der Vergangenheit in seinen Ohren nach.

Auf dem nächsten Album, gerade erschien die DVD „Castles And Dreams“ (SPV), sollen die Stücke wieder rockiger werden. „Vielleicht komme ich irgendwann, wenn das Publikum komplett in Mittelalterkostümen dort sitzt, im Anzug auf die Bühne und frage: Was soll der Quatsch?“, sagt Blackmore und lacht. Der Mittelaltermann weiß, dass er belächelt wird. Es macht ihm nichts aus.

Blackmore’s Night spielen am 27. Juli um 20 Uhr in der Zitadelle Spandau.

Uli Schüler

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