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Kultur: Geiz ist todschick

Mode und Kunst: Swetlana Heger und Lisa D. attackieren den Glamour der Oberfläche

Das Sportswear-Label heißt „Disaster Super“. Zu den Produkten gehört ein äußerst knapper Badeanzug aus silberfarbenem Hightech-Material, auf der Hose ist hinten eine Turnschuh-Sohle befestigt mit der Aufschrift „Kick here“. Und genau so ist es gemeint: ein Tritt in den Arsch der globalen Modeindustrie. „Disaster Super“ von Lisa D. wird nicht im Laden verkauft, sondern auf Performances gezeigt. Oder wie jetzt in der Ausstellung „In der Sprache der Mode – Lisa D. und Swetlana Heger“ im Haus am Waldsee. Eine Modedesignerin und eine Künstlerin teilen sich die Räume, die eine macht aus Mode Kunst, die andere nutzt für ihre Kunstprojekte die Hochglanzprodukte der Modeindustrie.

Elisabeth Prantner, die Modedesignerin, die in den Hackeschen Höfen ein Ladenatelier unter dem Namen Lisa D. führt, stellt Kleider aus sechs Modeperformances der letzten zehn Jahre aus. Mode und Kunst ist ein schwieriges Thema in Deutschland, findet sie: Wenn die Grenzen zwischen kommerziellem Produkt und Kunstwerk verschwimmen, verunsichere das die Deutschen zutiefst. Aber was soll sie machen, die Mode ist ihr Ausdrucksmittel. Immer schon erschien es Prantner abwegig, einfach nur tragbare Kleidung zu machen. Früher, in den Achtzigern, konnte sie ihre experimentellen Einzelstücke direkt vom Laufsteg weg verkaufen. „Heute würden sich die Leute damit nur ausgrenzen und in die Narrenecke stellen.“ Also trennt sie die Mode, von der sie lebt, und die Mode, mit der sie Geschichten über unsere Gesellschaft erzählt, strikt voneinander.

Die gebürtige Österreicherin hat ihre Performances fast ausschließlich mit alpenländischer Förderung realisiert. So weiß sie sich auf der sicheren Seite, wenn sie Themen wie Hunger, Krieg, Krankheit und Kinderarbeit aufgreift und damit Textilkonzerne kritisiert, die T-Shirts für ein paar Euro auf den Markt werfen. Elisabeth Prantner tut es mit einer Direktheit, die ruhig ein wenig wehtun soll. Sie ließ in Handarbeit hautenge Kleider häkeln, in die Silhouetten verhungernder Kinder mit Blähbäuchen eingewirkt sind. Am Körper von 1,80 großen Models, die die Designerin nach ästhetischen Gesichtspunkten der Pariser Modenschauen aussucht, sind sie erschreckend kleidsam. „Ich wollte vor allem, dass die Sachen sexy und geil aussehen.“ Wie der glamourös glitzernde bodenlange Umhang, der aus aneinander gefügten Tablettenhüllen besteht, mit andersfarbigen Pillen hebt sich das Wort „AIDS“ ab. Die 70 000 Placebos bekam sie von einem Berliner Pharmakonzern.

Gesponsert wird auch die ebenfalls aus Österreich stammende Künstlerin Swetlana Heger für ihre Projekte. Im ersten Stock des Hauses am Waldsee hängen Fotografien, auf denen sie in Produkten des Strumpfherstellers Wolford und des Pariser Luxuskonzerns Hermès zu sehen ist. Sie nutzt die Bereitschaft der Modeindustrie gnadenlos aus, sich für fast jede Marketingstrategie zu öffnen. Dazu gehört auch, eine bildende Künstlerin zu unterstützen, um am Ende die eigenen Produkte – künstlerisch aufgewertet – noch besser abzusetzen.

Swetlana Heger bedient sich dieser Mechanismen. Sie hebt dabei die Grenzen auf, indem sie verschämtes Productplacement und Sponsoring offensiv zum Mittelpunkt ihrer Arbeit macht. Diese Bloßstellung wird nicht immer gern gesehen: Als sie im Münchner Kunstverein weiße Podeste bauen und diese an den Automobilkonzern BMW vermieten wollte, kam es zum Eklat. Schließlich zeigte der Kunstverein statt Kunstwerken die neuesten Automodelle.

Die Kontrolle über den Arbeitsprozess ist für Heger die Voraussetzung für ihr Werk. Für die Kooperation mit Hermès suchte sie in der Pariser Konzernzentrale die Produkte aus, mit denen sie sich fotografieren lassen wollte. Und sie wählte den Berliner Mode- und Werbefotografen Alexander Gnädinger, der für die perfekte Abbildung von Oberflächen bekannt ist. „Ich war eine weiße Leinwand“, sagt Heger. Ein Video zeigt, wie mit Hilfe von Schminke, schwarzer Perücke und digitaler Bildbearbeitung aus ihr die perfekte Schönheit wird, die nackt, nur einen ledernen Reitsattel auf dem ausgestreckten Arm balancierend, vor einer grob verputzten Wand steht. Die Pose soll an Botticellis „Geburt der Venus“ erinnern. Ein anderes Foto zeigt die Künstlerin hingestreckt auf einer Liege – wie Goyas „ Maja“ blickt sie dem Betrachter direkt in die Augen.

Das Spiel mit Frauenfiguren der Kunstgeschichte ist nicht der einzige weibliche Ansatz in dieser Ausstellung. Beide Künstlerinnen liefern sich ihren Projekten völlig aus: Swetlana Heger als Model, Werbefläche und Marke, Lisa D. durch kritische Auseinandersetzung mit den Produktionsverhältnissen in Billiglohnländern. Die sonst durch Kinderarbeit oder in industrieller Massenproduktion produzierte Kleidung fertigt sie in monatelanger Handarbeit selbst an.

Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30 (Dahlem), bis 26. März, tgl. 10-18 Uhr.

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