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Kultur: Geld macht menschlich

Norbert Bolz eröffnet Berliner Symposium der Brecht-Gesellschaft

Es waren einmal zwei Herren mit Namen Brecht und Weill. Die gründeten vor rund 75 Jahren eine Stadt aus Noten und Worten und nannten sie Mahagonny. Was das genau heißt, weiß bis heute niemand. Überliefert ist hingegen das Motto dieser imaginären Netzestadt – nicht zu leiden und alles zu dürfen. Das klingt paradiesisch, ist es aber nicht. Weil eines verboten ist: vom Baum der Erkenntnis zu essen. Davon nicht zu essen, würde wiederum der Internationalen Brecht-Gesellschaft nicht schmecken, die in diesen Tagen in der Netzestadt Berlin ein groß angelegtes Symposium zum Thema „Mahagonny“ veranstaltet.

Das Wort, das im „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ am meisten fällt, ist Geld. Geld klingt bei Brecht nicht zwingend freundlich. Deswegen greift er zu einem alten Kindertrick: Wenn man ein Wort nur oft genug ausspricht, wird es unsinnig. Brecht spricht es aber nicht selbst, sondern lässt sprechen: „Paul, du stehst mir menschlich nah / Aber Geld ist eine andre Sache.“ Ersetzt man Paul durch Bertolt, hat man die Essenz des Eröffnungsvortrags für das 11. Symposion der Brecht-Gesellschaft in der Akademie der Künste Berlin. Den hatte Norbert Bolz zu verantworten, gleichermaßen als Philosoph wie Medien-, Wirtschafts- und Kulturspezialist ausgewiesen. Da es Bolz, Autor des „Konsumistischen Manifests“, durchaus um Glück und Genuss zu tun ist, sprach er nicht über Brecht, sondern über Geld. Bei Bolz verkehrte sich das kulturkritische Verhältnis, das Brecht zum Geld unterhielt, in ein Lob des Geldes: Geld mache vielleicht nicht glücklich, aber immerhin menschlich, weil moderne Caritas keine Almosen gebe, sondern die Stelle nennt, die weiterhilft. Kapital, so Bolz, entpuppt sich so als funktionales Äquivalent von Dankbarkeit und Hilfe, was nicht sentimental, aber eben sehr wirksam ist. Schließlich besteht der Kosmos der modernen Wirtschaft aus Zahlungen und nicht aus Menschen.

Doch die Verächter des Geldes, das lehrt unter anderem die Biografie Brechts, sind seine größten Verehrer. Und umgekehrt. Denn Bolz lobte das Geld nicht um des Geldes willen. Er lobte es, weil ein Lob des Geldes im Milieu der Geisteswissenschaften noch immer provoziert. Insofern war es ein kluger Schachzug der Veranstalter, Bolz für die Eröffnung zu gewinnen, der, zwar geschult in Kritischer Theorie, mit Brecht doch scheinbar wenig zu tun hat. Und dann auch wieder so viel: Beide kreisen ständig ums Geld – wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen. Und beide eint die Vorliebe für Merksätze.

Der Rückweg führte über Straßen, die sich auf das heutige Festival vorbereiteten: Christopher Street Day, Gender Trouble. Ob der alte Chauvi Brecht da mitmachen würde? „Was wir Mädchen alles sollen!“ Brecht passt inzwischen immer. Bolz meist auch.

Thomas Wegmann

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