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Generationenporträt: Komm schon, geh schon

Rasender Stillstand: Dietrich Brüggemann porträtiert in seiner Tragikomödie „3 Zimmer/Küche/Bad“ geschlechtsreife Jung- und Neuberliner zur Findungszeit, die ständig umziehen, ohne je heimisch zu werden

Vor zwei Jahren, in Dietrich Brüggemanns tollem Erstling „Renn, wenn du kannst“, waren sie schon mal zusammen: Robert Gwisdek spielte einen vor Selbst- und Welthass triefenden Querschnittgelähmten, Jacob Matschenz war der Zivi, der diesen kalten Wüterich durch unbeirrbare Freundlichkeit vermenschlichte, und dann verliebten sich die Beiden in die zauberhafte Musikstudentin Annika, gespielt von Anna Brüggemann – Mitautorin am Drehbuch und Schwester des Regisseurs.

Nun sind sie, in tragenden Rollen, alle wieder da, und weil sie alle wieder so gut sind, ist alles ganz ähnlich und anders zugleich. Anna Brüggemann, Mitautorin auch an „3 Zimmer/Küche/Bad“, ist die hübsche, in Liebesangelegenheiten ziemlich belastend unstete Dina. Matschenz spielt den sensiblen, irgendwie vergebenen, aber frisch in Dina verliebten, von ihr allerdings bloß emotional ausgebeuteten Kumpel Philipp, der mit Thomas in einer Zweierjungs-WG wohnt. Robert Gwisdek gibt diesen Thomas als maulfaulen, zwar in einer festen Beziehung lebenden, an der Liebe aber unerbittlich desinteressierten Egomanen. Wenn er denn mal die Zähne auseinanderkriegt, dann grundsätzlich für die Großsentenz, und die klingt etwa so: „Wir sind die Generation, die kein Geld hat und auch nie welches verdienen wird.“

Klar, dass so einer seinen Weg macht, als Grafiker zum Beispiel, dem die Galeristen Visitenkarten zustecken, dass ihm bald die Umhängetasche platzt. Ansonsten aber geht alles seinen äußerst hakeligen Gang. Thomas und Philipp lösen ihre WG auf, weil sie mit ihren Dauerfreundinnen Jessica (Alice Dwyer) sowie Maria (Aylin Tezel) voreheliche Nester beziehen wollen. Natürlich kommt alles anders, als die vier es sich denken, und auch die übersonnige Dina macht eines Tages ungläubig mit einem gewissen Ernst des Lebens Bekanntschaft.

Twentysomethings also, geschlechtsreife Jung- sowie Neuberliner zur Findungszeit – und weil Dietrich Brüggemann an einem schwirrenden Ensemblestück gelegen ist, kommen mit Philipps Schwestern Swantje (Amelie Kiefer) und Wiebke (Katharina Spiering) sowie dem grundgelassenen Womanizer Michael (Alexander Khuon) drei weitere Hauptpersonen hinzu. Verbunden sind die Nachwuchsakademiker durch Beziehungen, die von Affärchen bis zum voreiligen Lebensversprechen reichen. Und vor allem durch Umzüge am laufenden Band.

„3 Zimmer/Küche/Bad“ zelebriert dieses seelische und räumliche Hin und Her, und das nervt mit kluger Absicht. Nichts gilt wirklich, selbst Elternverhältnisse lösen sich salopp im bösen Irrtum auf. Das ist vielleicht der stärkste Unterschied zur früheren WG-Küchenwelt: Die Eltern sind kein – oft menschlich versteinerter – Fels in der Lebensbrandung ihrer Kinder mehr, sondern bestellen im Zweifel mal eben selber den Trennungsumzugswagen. Ob Generation Nazikind oder Generation Praktikum: Verbindlich ist allein die Unverbindlichkeit.

Vieles ist, mitten im mal lästigen, mal lustigen gemeinsam-einsamen Voranstolpern durch ein Jahr, schmerzhaft genau gesehen in dieser Tragikomödie, die die allumfassende Ratlosigkeit ihrer Figuren fast physisch spürbar macht. Wenn da nicht, in meist letzter Sekunde, die Entschiedenheit der Frauen wäre, die auch das eher lausige männliche Personal zu Entscheidungen zwingt, könnte man mitunter verzweifeln über so viel rasenden Stillstand. Draußen nach dem Abspann scheinen sie dann plötzlich überall herumzugeistern, die Michaels und Philipps, die Swantjes und Marias, die sich vom kühlen Krach – „Schlechten Sex kann ich auch mit jemand anders haben“ – zum jämmerlichen Fotopraktikum hangeln. Mitleid mit ihnen verbietet sich allerdings schon deshalb, weil sie selber sich Selbstmitleid verbieten. Tapferkeit ist gefragt, und wenn man Glück hat, kommt ein bisschen Glück nach.

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