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Kultur: Genforschung: "Wir müssen jetzt klare Richtlinien festlegen". Der Vorsitzende des Ethikrats über Konsequenzen für Deutschland

Spiros Simitis (66), Rechtsprofessor aus Frankfurt, ist Vorsitzender des Nationalen Ethikrats, den die Bundesregierung eingesetzt hat. Haben Sie als Vorsitzender des Nationalen Ethikrats gewusst, dass Forscher in den USA bereits Embryonen zu Forschungszwecken geschaffen haben?

Spiros Simitis (66), Rechtsprofessor aus Frankfurt, ist Vorsitzender des Nationalen Ethikrats, den die Bundesregierung eingesetzt hat.

Haben Sie als Vorsitzender des Nationalen Ethikrats gewusst, dass Forscher in den USA bereits Embryonen zu Forschungszwecken geschaffen haben?

Gar nichts habe ich gewusst. Das ist ja das Bittere. Ich habe in den vergangenen Wochen immer wieder festgestellt, dass wir keine genaue Kenntnis, nicht mal eine annähernd akzeptable Übersicht über die zurzeit laufenden Forschungsexperimente haben. Das hängt damit zusammen, dass viel im Ausland passiert, oft in privaten Forschungslabors, von denen niemand weiß, was dort geschieht.

Was bedeutet das für den Nationalen Ethikrat? Dort sollen sie unter anderem über den neusten Stand der Forschung berichten und Stellungnahmen verfassen. Wie geht das, wenn ihnen scheinbar das Wissen als Grundlage fehlt?

Das ist natürlich ein riesiger Nachteil für uns. Wenn wir verlässlich arbeiten wollen, brauchen wir eine exakte Kenntnis der Vorgänge. Aller Vorgänge. An dem Beispiel aus Amerika kann man sehen, dass sich jeden Tag etwas Neues ereignet. Der Stand, den man hat, ist in dem Augenblick überholt, da man anfängt ihn auszuwerten. Das ist besonders erschwerend.

Welche Konsequenz ziehen Sie aus dieser Erkenntnis?

Wir dürfen die wichtigen Entscheidungen bei der Gentechnik nicht mehr beliebig lange hinausschieben. Jetzt müssen wir in Deutschland klare Richtlinien festlegen. Es zeigt sich ja an der Nachricht aus den USA, dass wir es nicht mit abstrakten Visionen oder Horrorszenarien zu tun haben, sondern mit ganz konkreten Vorgängen. Darauf muss man reagieren.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Wird es auch in Deutschland bald zur Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken kommen?

Das kann ich nicht sagen. Zumindest noch nicht. Ich muss zunächst einmal abwarten, wie die Debatte zur Stammzellenforschung ausgeht, dann könnte ich vielleicht auch auf diese Frage eine Antwort geben. Jedenfalls kenne ich zurzeit niemanden in Deutschland, der Embryos herstellt, um danach an ihnen zu experimentieren. Das ist ja auch strikt verboten.

Wird sich der Ethikrat mit der Frage der verbrauchenden Embryonenforschung befassen?

Wir konzentrieren uns im Rat zurzeit auf den Import von embryonalen Stammzellen. Bald wird unser Arbeitsprogramm formuliert sein, das natürlich auch auf solche Entwicklungen eingehen muss. Wir werden mit viel Bedacht darüber diskutieren.

Was nutzt es, wenn wir uns in Deutschland über die Moral bei der Gentechnik die Köpfe heiß reden, wenn im Ausland nach und nach die Schranken fallen?

Scheinbar nicht viel. Es handelt sich hier um Entwicklungen, die absolut nicht national sind. Deutschland ist eingebunden in die Europäische Union. Alle Lösungen, die wir anstreben, müssen also zugleich so konzipiert sein, dass sie auch in den anderen Ländern der EU tragbar sind. Aber das ändert nichts daran, dass wir auch eigene Vorgaben in Deutschland brauchen. Auch wenn klar ist, dass eine erfolgreiche Reaktion übernational angelegt sein muss.

Haben Sie als Vorsitzender des Nationalen Ethikrat

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