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Kultur: Genosse Saxophon

ALL THAT JAZZ Christian Broecking rätselt über realsozialistische Hotmusik „Wir waren Rassisten“, erzählt Joe Zawinul in dem Interviewbuch „Zawinul. Ein Leben aus Jazz“ (Residenz Verlag), und tatsächlich waren im Wien der frühen fünfziger Jahre zunächst weiße Solisten wie Lee Konitz und Lennie Tristano total angesagt.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking rätselt

über realsozialistische Hotmusik

„Wir waren Rassisten“, erzählt Joe Zawinul in dem Interviewbuch „Zawinul. Ein Leben aus Jazz“ (Residenz Verlag), und tatsächlich waren im Wien der frühen fünfziger Jahre zunächst weiße Solisten wie Lee Konitz und Lennie Tristano total angesagt. Platten von schwarzen Jazzmusikern gab es noch kaum. Als Zawinul dann zum ersten Mal „Jazz At The Philharmonic“ hörte, änderte sich sein Leben. Durch Oscar Peterson sei er zum „Rassisten“ geworden. Für ihn zählte nämlich nur noch die Musik, die von Schwarzen gemacht wurde.

Auch der Gitarrist John Scofield kennt das Phänomen des „umgedrehten Rassismus“, das Zawinul beschreibt, aus eigener Erfahrung. Scofield wuchs mit der schwarzen Musik der Sechzigerjahre auf, hörte Rhythm&Blues und später auch Jazz, und gibt zu Protokoll, dass er unbedingt genauso so spielen wollte wie die schwarzen Musiker. Anfangs spielte er zwar nur in weißen Bands, sein Ideal blieb aber die schwarze Musik. Der eigene kulturelle Background habe damals überhaupt nicht interessiert, Scofield und seiner Freunde fanden nur das hip, was die Schwarzen spielten. Später bei Miles Davis oder auch in der Band des afroamerikanischen Saxofonisten Eddie Harris habe er dann gelernt, dass auch die schwarze Musik nicht hundertprozentig schwarz ist. Aber in den Sechzigerjahren habe man halt noch so gedacht. Durch die Massenkommunikation und ständige Verfügbarkeit von Musik könne heute jedoch jeder wissen, dass alle modernen Musikstile sich gegenseitig beeinflussen, resümiert Scofield. Seine nächste CD „EnRoute“ ist zwar schon in der Pipeline, die Jazztrio-Live-Aufnahme aus dem New Yorker Jazzclub Blue Note erscheint nächsten Monat bei Verve, nach Berlin kommt Scofield heute aber erst noch mal mit dem für ihn wichtigsten Projekt der letzten Jahre.

An seiner Überjam Band interessiert den 52-jährigen Musiker vor allem, dass sie nicht das alte Fusion-Zeug der Siebziger reproduziert, sondern den Jazz mit aktuellen Sounds und Samples angeht. Dafür steht in der Band von John Scofield vor allem der Gitarrist Avi Bortnick, der auch auf dieser Tour wieder dabei ist. Heute im Tränenpalast um 21 Uhr.

Die CD des jungen französischen Pianisten Eric Prud’Homme heißt „Reves“ und klingt nach einer wilden Mischung aus Oscar Peterson und Chanson, Momente inklusive, wo man das Gefühl hat, Cecil Taylor würde Keith Jarrett tief ins Gesicht lachen. Die Musik auf dieser Platte klingt nach viel Spaß und Swing auf den Spuren des klassischen Piano-Trio-Formats. Eine Entdeckung des Jazzclubs B-Flat , wo Prud’Homme morgen, Freitag und Samstag spielen wird (jeweils 21 Uhr).

Man kann sich bestimmt jahrelang darüber streiten, ob nun Doppelmoppel oder Zentralquintett die DDR revolutioniert haben, musikalisch gesehen. Was die Aktivisten aus der Hochzeit des DDR-Jazz heute machen, kann man am Donnerstag bei einem Zug durch die Gemeinde erkunden. Im Ausland (21 Uhr 30) spielt Doppelmoppel-Star Johannes Bauer , Posaune, den man auch aus Cecil Taylors European Orchestra „Alms/Tiergarten“ kennt, zusammen mit Matthias Bauer , (Bass) und Dorothea Schürch (Gesang). Im b-flat gibt es zur gleichen Zeit ein Gedenkkonzert für Peter Kowald , den Bassisten, der vor eineinhalb Jahren in New York starb. Es treten auf: Floros Floridis, Saxofon, und Zentralquartett-Superstar Günther „Baby“ Sommer. Er wird auch für den nötigen Ernst sorgen.

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