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Kultur: Gentechnik: Immer wieder abgestoßen

"Es waren nur winzige Punkte, aber in ihnen lag ein so großes Versprechen." Mit diesem Satz beginnt der Bericht der Forscher im Wissenschaftsmagazin "Scientific American".

"Es waren nur winzige Punkte, aber in ihnen lag ein so großes Versprechen." Mit diesem Satz beginnt der Bericht der Forscher im Wissenschaftsmagazin "Scientific American". "Nach monatelangen Versuchen", heißt es weiter, "kamen wir am 13. Oktober 2001 in unser Labor von Advanced Cell Technology, um unter dem Mikroskop zu sehen, was wir angestrebt hatten - kleine Kügelchen sich teilender Zellen, nicht einmal sichtbar für das bloße Auge." Was die Forscher da unter dem Mikroskop zu Gesicht bekamen, waren die ersten menschlichen embryonalen Klone.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Schon im Juli dieses Jahres hatte die kleine Firma Advanced Cell Technology (ACT) in Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts bekannt gegeben, dass sie bereits seit einem Jahr an geheimen Klonversuchen arbeitet. Das Ziel: Die Gewinnung von embryonalen Stammzellen.

Stammzellen sind "Urzellen", die sich noch in verschiedenste Zelltypen (Blutzellen, Hirnzellen, Leberzellen) entwickeln können. Sie stellen eine große Hoffnung für die Transplantationsmedizin dar: Sie könnten zerstörte Zellen ersetzen. "Unsere Absicht ist es nicht, geklonte Menschen herzustellen", sagt Robert Lanza, einer der Wissenschaftler und Direktor der medizinischen Forschung von ACT. "Es geht darum, lebensrettende Therapien zu entwickeln, etwa für Diabetes, Krebs, Aids und Parkinson."

Unter Kollegen gilt Lanza als Genie, manche scheuen nicht einmal den Vergleich mit Einstein. Schon als Jugendlicher hatte er das Erbgut von Hühnern verändert - und damit Forscher der Harvard-Universität beeindruckt. Lanza wurde Transplantationsmediziner. 20 Jahre suchte er Therapien für Krankheiten wie Diabetes und Leukämie und setzte dabei auf die Transplantation von neuen Zellen und Organen für seine Patienten. "20 Jahre lang stieß ich immer wieder auf das gleiche Problem: Abstoßung, Abstoßung, Abstoßung."

Da bot das Klonen einen Ausweg. Könnte man die Zellen eines Patienten klonen und vermehren, so hätte man eine Quelle von Ersatzzellen, die der Körper des Patienten nicht abstoßen würde: es wären schließlich seine eigenen Zellen. Genau das ist das Ziel des "therapeutischen Klonens". Lanza und sein Team benutzten unter anderem die Methode von Ian Wilmut, dem Schöpfer des Klon-Schafes Dolly. Sie begannen mit 19 Eizellen, die sie von Frauen gekauft hatten, und entfernten das Erbgut dieser Eizellen.

Dann brauchten sie nur noch das Erbgut von der Person, die geklont werden sollte. Auch dazu fanden die Mediziner Spender, beispielsweise den 40-jährigen Texaner Judson Somerville, nach einem schweren Unfall Rollstuhlfahrer - er spendierte ein paar Zellen von seiner Wade. Anschließend wurde das Erbgut dieser erwachsenen Zellen in die Eizelle geschleust, das Resultat: eine Eizelle mit den Genen des Spenders.

Der geklonte Embryo, der sich daraus entwickelte, brachte es allerdings nicht weit: alle Embryonen starben, noch bevor sie aus acht Zellen bestanden. Zu früh, um aus ihnen die begehrten Stammzellen zu gewinnen. Denn die Stammzellen tauchen erst nach fünf Tagen Entwicklung auf, wenn der Embryo aus mehr als 100 Zellen besteht. Dennoch werteten die Forscher ihren Versuch als Erfolg. Das Experiment sei der "erste Beleg dafür, dass menschliche Zellen für die Transplantation reprogrammiert werden könnten", sagt die Firma ACT.

Nicht alle teilen diesen frohen Optimismus. "Es hat nicht funktioniert", kritisiert Klon-Pionier Steen Willadsen den Versuch. "Komplettes Versagen", urteilt auch Klonfachmann George Seidel von der Colorado State University. Dolly-Schöpfer Wilmut bezweifelte gar, ob es sich überhaupt um "wahre Klone" handele. Viele reagierten empört. Der Bioethiker Arthur Caplan von der Universität von Pennsylvania sagte, ACT habe "eine Grenze überschritten". Der amerikanische Präsident George W. Bush lehnte die Experimente wie jegliches Klonen von Menschen strikt ab.

Rechtlich gesehen könnte es bald eng werden für Firmen wie ACT. Schon im Juli hatte sich das amerikanische Repräsentantenhaus gegen jede Art von Klonen menschlicher Embryonen ausgesprochen. Ein entsprechendes Gesetz ist in Vorbereitung. Tritt es in Kraft, müsste ACT seine Forschung auf diesem Gebiet einstellen - oder das Land verlassen.

Doch wohin? Fluchtpunkt könnte Großbritannien sein. Dort ist das therapeutische Klonen nach einem Parlamentsbeschluss erlaubt. Doch das Gesetz ließ offenbar ein Schlupfloch auch für das reproduktive Klonen. Darum will nun die britische Regierung mit einem Eilgesetz das reproduktive Klonen verhindern. Das Gesetz soll in wenigen Tagen in Kraft treten.

Besonders heftig waren die Reaktionen in Deutschland. Die geklonten Embryonen seien "ein Albtraum, der nun leider Wirklichkeit geworden ist", sagte Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer. Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) warf den Wissenschaftlern Verantwortungslosigkeit vor und betonte, in der Bundesrepublik bleibe jedwedes Klonen verboten.

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