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Kultur: Geradeaus denken!

Zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Publizisten Gerhard Schoenberner

Sein Name bleibt verbunden mit seinem ersten Buch, und so spielte die Dokumentation „Der gelbe Stern“, die Gerhard Schoenberner 1960, mit noch nicht 30 Jahren, veröffentlicht hat, auch eine herausragende Rolle bei der Ehrenpromotion, die ihn in seinem 80. Lebensjahr ereilt hat. Gern berichtet die verleihende Dekanin – vielleicht halb so alt wie er –, wie dieses Buch ihr ganzes Leben begleitet hat. Denn der Versuch, in Deutschland die Judenverfolgung in Europa – so sein Untertitel , also den großen Zivilisationsbruch, zum Thema zu machen, hat tatsächlich eine Spur durch die Nachkriegsgeschichte gezogen, auch in den breiten Schichten des interessierten Publikums.

Die vielfältige Existenz Schoenberners umreißt bei der Verleihung am Freitagabend im Institut für Publizistik der FU Wolfgang Benz, der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU. Denn sieht man von den fünf Jahren ab, in denen Schoenberner in den siebziger Jahren das Deutsche Kulturzentrum in Tel Aviv leitete, so agierte er ein Leben lang durchaus als ein Hans Dampf in vielen intellektuellen Gassen, sozial zumeist freischwebend. Es macht seinen Rang aus, dass er wichtige Institutionen der Erinnerungsarbeit mit anschob: 1983 das „Aktive Museum – Faschismus und Widerstand in Berlin“, die Topographie des Terrors und die Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“, die er von 1989 bis 1996 leitete.

Aber zugleich rief er mit Ulrich Gregor das Forum der Berlinale ins Leben und engagierte sich in zahlreichen Gremien für den Film und das Filmwesen. Ein querdenkender Autor, der keinem Streit aus dem Wege ging, ein Temperaments-Linker, immer dabei beim Protest gegen verstocktes Denken und Nachkriegs-Verdrängungen, ist er außerdem – es hat seine tiefere Bedeutung, dass ausgerechnet die Publizisten die Initiative ergriffen, um aus dem frühen FU-Studenten einen akademischen Würdenträger zu machen.

Der Ansporn für das Lebenswerk, das die Ehrenpromotion nun würdigt, wurde früh gegeben. Es war, bekennt Schoenberner – und akklamiert insofern einem klassischen biografischem Muster –, das Jugenderlebnis von Nationalsozialismus und Kriegsende, aus dem Blickwinkel des Elternhauses, eines aufgeklärt protestantischen Pfarrhauses. Die Erinnerung daran flicht in Schoenberners Danksagung einen warmen, anrührenden Ton. Es habe ihm die Entschlossenheit mitgegeben, die seine Arbeit zeitlebens trug: sich nichts vormachen zu lassen, sondern geradeaus zu denken und sich selber treu zu bleiben. Hermann Rudolph

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