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Kultur: Gerson Fehrenbach: Vom Pilz zum Atompilz

Seine Skulpturen stehen überall in Westberlin: Vor dem Rathaus Tempelhof, in Riehmers Hofgarten, am Wannsee, auf dem Aussichtsberg des Buga-Geländes, auf dem Kranold-Platz in Neukölln, vor dem Arbeitsamt Nord in Charlottenburg, auf dem Gelände der Wasserschutzpolizei, an der Bundesallee und an der Stelle einer ehemaligen Synagoge in Schöneberg. Seit Anfang der sechziger Jahre erhält Gerson Fehrenbach öffentliche Aufträge.

Seine Skulpturen stehen überall in Westberlin: Vor dem Rathaus Tempelhof, in Riehmers Hofgarten, am Wannsee, auf dem Aussichtsberg des Buga-Geländes, auf dem Kranold-Platz in Neukölln, vor dem Arbeitsamt Nord in Charlottenburg, auf dem Gelände der Wasserschutzpolizei, an der Bundesallee und an der Stelle einer ehemaligen Synagoge in Schöneberg. Seit Anfang der sechziger Jahre erhält Gerson Fehrenbach öffentliche Aufträge. Wahrscheinlich ist jeder Westberliner seinen Skulpturen schon begegnet - und doch kennen ihn die wenigsten.

Das macht die Stille, mit der sie sich in den öffentlichen Raum fügen. In ihrer Anlehnung an organische Formen geben sie vor, schon immer da gewesen zu sein. In ihrer konstruktiven Organisation von aufrechten Stelen oder geordneten Kuben fügen sie sich der Textur der gebauten Stadt ein. Sie verlangen nichts vom Passanten. Ihre besondere Leistung, die Verschmelzung von abstrakten und organischen Formen, macht sie anpassungsfähig und unauffällig.

Das ist schade, denn so entgeht den meisten ihr sinnlicher Reichtum. Deutlicher wird ihre Verführungskraft von geheimnisvollen Öffnungen und brodelnden Kräften unter gespannten Oberflächen in einer Ausstellung der "Stiftung für Bildhauerei" im Georg-Kolbe-Museum.

Gegründet hat die Stiftung für Bildhauerei, die in Kolbes ehemaligem Wohnhaus seit 1998 arbeitet, der Sammler und Betonfachmann Bernd-Heiner Berge. Ein Foto zeigt ihn Arm in Arm mit Fehrenbach vor dem Gipsmodell der großen "Gilgamesch"-Skulptur, die jetzt als bronzener Riese Kolbes Garten bewacht. Berge ist mit dem Bildhauer seit langem befreundet und hat sich über die fachliche Zusammenarbeit zum Spezialisten für Beton-Skulpturen gebildet. So ist es kaum erstaunlich, dass das erste große Projekt der Stiftung Fehrenbach gilt.

Beton ist unbestechlicher als Bronze. Die grauweiße Gusshaut erlaubt kaum Retuschen. Wo der Glanz der Bronze und Lichtreflexe die Oberfläche beleben, stellt der Beton die Oberflächenspannung der Skulptur auf eine härtere Probe. So war Beton, als Fehrenbach in den fünfziger Jahren damit zu arbeiten begann, zwar auch der billigere Stoff, der aber zugleich eine große Herausforderungen an die Durchformulierung der skulpturalen Außenhaut stellte. Sie mit einer Beweglichkeit und Expressivität zu modellieren, die an das Unhaltbare und Flüchtige der informellen Kunst erinnert, prägt Fehrenbachs Handschrift bis heute. Auch wenn er es sich inzwischen leisten kann, die meisten Skulpturen in Bronze gießen zu lassen.

Pilz - Atompilz, Gewächs - Wucherungen: Die Spannung in diesen Begriffspaaren steht für die widersprüchlichen Konnotationen, die Fehrenbach verarbeitet hat. Das Pochen der Wachstumskräfte in knolligen und knospenden Formen, die Verzweigungen und Verästelungen der Skulpturen sind nicht allein als Feier der Natur gemeint. Lange beschäftigte sich Fehrenbach, ausgelöst durch die Atomversuche auf dem Bikini-Atoll, mit den zerstörerischen Potenzen von Energien. Doch im Kontext der Kunst fällt immer wieder nur die ästhetische Gestaltung der Skulpturen ins Auge. Was sie mehr bedeuten wollten, bleibt verschlossen.

Bewundern kann man ihre Verzahnung mit dem Raum, die Spannung zwischen offenen und geschlossenen Formen. Dies ist alles schon angelegt in einer kleinen "Stehenden" von 1957, die aus über dreißig kubischen Formen zusammengewürfelt ebenso viele unregelmäßige Hohlräume bildet. Mit ihr wird schon Fehrenbachs Fähigkeit sichtbar, Vielheiten zu Einheiten zusammenzufassen.

In seiner abstrakt expressiven Ausgewogenheit ist Fehrenbach fast symptomatisch für die ersten fünfzig Jahre bundesrepublikanischer Kunst. Das Museum zeigt einen Zusammenschnitt von SFB-Berichten, die sich zwei, drei Minuten mit seinem Werk beschäftigten. Dramatische Jazzmusik ersetzt vielfach das Wort. Seine Abstraktionen galten als Vergewisserung einer Moderne, die mit jedem öffentlichen Auftrag bestätigt wurde. Die Filmberichte verzeichnen die Geschichte einer Rezeption, die mehr von der Kunst nicht wollte als modern sein, irgendwie.

Katrin Bettina Müller

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