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Kultur: Geschichten ohne Anfang und Ende

Ein Bilderzyklus von dem Berliner Maler Kai Teichert

Unterhaltung ist ein Begriff, der in der heutigen Zeit erstmal nichts Gutes signalisiert. Wobei die Schuld daran bei den Unterhaltern selbst liegt: Sie geben sich einfach zu schnell mit zu wenig zufrieden. Kai Teichert hingegen ist einer, der den Betrachter im Zweifelsfall lieber überfordert, als es ihm zu leicht zu machen. Teichert erzählt Geschichten, deren Inhalt man oft nicht ganz versteht – und das ist noch zurückhaltend formuliert. Andererseits wäre alles andere, also Eindeutigkeit, Klarheit, überhaupt eine Handlung auch zuviel verlangt. Langweilig wäre das, denn Teichert ist auch und sogar in erster Linie Maler. Und die Malerei, das weiß man ja inzwischen, folgt ihren eigenen Gesetzen.

„Bildzyklus 1-12“ lautet der Titel seines Werkkomplexes, der derzeit in der Galerie Bleitreu präsentiert wird. Auf diesen zwölf Gemälden gleichen Formats (2,20 Meter mal 1,60 Meter, Preise je 3500 Euro) geschehen die absonderlichsten Dinge. Da ist zum Beispiel die Frau im ausladenden Reifenrock, neben der im klassischen Standbein/Spielbein-Kontrapost ein nackter Mann steht, welcher enfernt an einen Rückenakt aus der Renaissance erinnert. Rechter Hand wiederum erkennt man eine Figur, die sich offenkundig gerade verflüchtigt, was in dem Fall wörtlich zu verstehen ist: Sie löst sich auf wie ein Pullover, dem man den Faden zieht.

Bei früheren Arbeiten hatte Teichert, Jahrgang 1965, bewiesen, dass er ein feiner, die Farben ausgewogen setzender Kolorist sein kann. Die aktuellen Werke sind fast ausschließlich in Schwarz-Weiß gehalten - eine Beschränkung, die ihren Gegenpol in der extravaganten Pinselführung findet. So entstehen Wirbel, irrwitzige Formationen der Ungegenständlichkeit, entwickeln Linien einen Sog, dass einem beim Hinsehen fast ein bisschen schwindlig wird. In einem alten Katalog schrieb der Kritiker und Künstlerkollege Christoph Bannat einmal über Teicherts nervenkitzelnde Malerei, seine Motive dienten „lediglich dem angenehmen Zeitvertreib“. Das klingt beim ersten Lesen vielleicht etwas merkwürdig, aber dann merkt man bald, dass das mehr ist, als man sich je hätte träumen lassen.

Galerie Bleibtreu, Bleibtreustraße 5, bis 30. November; Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr, Sonnabend 11-16 Uhr.

Ulrich Clewing

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