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Historischer Glücksmoment. Österreichs Außenminister Alois Mock (l.) und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn öffnen am 27. Juni 1989 den Eisernen Vorhang. Foto: picture alliance/dpa

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Kultur: Geschichtsstunde für alle

Die Plakatausstellung „Diktatur und Demokratie“ ist in ganz Deutschland zu sehen.

Von Aachen bis Zwickau, von Chemnitz bis Traunstein reicht die Liste der Städte und Gemeinden, die bereits ein Exemplar der Fototafelausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ geordert haben. „Rund 500 Landratsämter, Rathäuser, Stadtbibliotheken, Schulen und Volkshochschulen, Parteien, Kirchen und Verbände werden bis Ende Januar ,ihr’ Ausstellungsexemplar erhalten“, teilt stolz die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit, die die Schau mit ihren 26 auf Plakatfolie gezogenen Tafeln herausgegeben hat und vom Münchner Institut für Zeitgeschichte erarbeiten ließ.

Gestern fand im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages die Erstbesichtigung statt. „Dass wir in Verhältnissen leben, die man 25 Jahre zuvor kaum für möglich gehalten hätte“, betonte Bundestagspräsident Norbert Lammert in seiner Ansprache und rief damit ins Bewusstsein, wie selbstverständlich geworden ist, wofür die Freiheitsbewegungen von Ungarn über die DDR bis in die baltischen Staaten 1989/90 auf die Straße gegangen sind. Lammert nannte die Ausstellung, die in insgesamt 3000 Exemplaren und im Ausland in zehn verschiedenen Sprachen verbreitet werden soll, den „Auftakt einer Kampagne historischer Erinnerungskultur“.

100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Zweiter Weltkrieg, 25 Jahre Mauerfall – doch warum initiiert die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine solche Ausstellung? Geschäftsführerin Anna Kaminsky hofft auf die Auseinandersetzung „mit der Geschichte von Demokratie und Diktatur“. Damit ist die Perspektive der Ausstellung bezeichnet, die einen Kurzlehrgang zur Geschichte des 20. Jahrhunderts bietet, jedoch stets mit Blick auf den Verlust und die Unterdrückung von Freiheit sowie deren Wiedergewinnung nach 1945. Bis schließlich der Fall des Eisernen Vorhangs jenen auf einer Folie abgebildeten Zettel obsolet machte, auf dem Churchill und Stalin 1945 die politische Aufteilung Ost- und Südosteuropas vornahmen: Rumänien den Sowjets, Griechenland den Briten und so weiter.

Es sind solche Fundstücke, die aus der Phalanx tausendfach reproduzierter Fotografien hervorstechen, die naturgemäß die Mehrzahl der insgesamt 190 Abbildungen ausmachen. Die Texte sind präzise Kurzfassungen dessen, was den heutigen Kenntnis- und vor allem Beurteilungsstand der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts ausmacht. Interessant ist die vor wenigen Jahren noch undenkbare Betonung des Ersten Weltkriegs. Der 100. Jahrestag seines Ausbruchs lässt den 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs in den Hintergrund treten. Der Paradigmenwechsel, der sich in der Geschichtswissenschaft vollzogen hat und der sich in der Flut von Publikationen äußert, die dieses Jahr 2014 zum Ersten Weltkrieg, seiner Vorgeschichte und seinen Nachwirkungen herauskommen, findet in der Plakatausstellung einen deutlichen Niederschlag.

Übrigens hatte die Bundesstiftung in Brüssel nachgefragt, ob 2014 nicht als „Jahr der europäischen Zeitgeschichte“ begangen werden könne. Sorry, war die Antwort der EU, 2014 seien als Themen bereits „Science and Nature“ gesetzt. So viel zum historischen Bewusstsein im Raumschiff Europa. Bernhard Schulz

Die Ausstellung wird in Berlin im Lichthof des Auswärtigen Amtes gezeigt, 20.1. – 28.2. Infos unter: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/ausstellung2014

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