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Kultur: Geschlechterverwirrung, burmesisch

KINO

Seltsame Brüder – oder sind es Schwestern? Unsere zeitgenössischen Drag Queens leben im Hochland von Burma. Der entzaubernde westliche Blick ortet sofort ein besonders ausgefallenes Schwulenfestival. Aber das ist grundfalsch. Sie nennen sich nicht Drag Kings oder Drag Queens, sondern Nats und sind in höherem Auftrag unterwegs. Im Auftrag der Geister. Und weil es Geister schon viel länger gibt als Schwule – jedenfalls im öffentlichen Leben –, sind die Nats auch schon viel älter.

Nats sind die Dienstboten der Geister, ihre Medien, sie tragen Namen wie „Herr Berühmt“, „Herr der weißen Pferde“ oder „Herr der neun Städte“, und die Burmesen achten ihr offenkundiges Schwulsein und die Neigung zu grellstem Flitterwesen als besondere spirituelle Qualitäten. Weder die Generäle der landeseigenen Militärdiktatur noch Buddha, offizieller religiöser Schirmherr des Landes, haben diesem seltsamen Kult bisher etwas anhaben können.

„Friends in High Places“ von der Berliner Dokumentarfilmerin Lindsey Merriso n ist die faszinierende Beobachtung einer parasitären Kaste, die desto besser lebt, je übler es dem Durschnittsburmesen geht. Denn das magische Bedürfnis wächst: Die 37 Nats der Nation können doch nicht untätig zuschauen, wenn Burma und ich untergehen! Das ist die Überzeugung vieler Burmesen.

Aber der Film ist sensibel genug, solche groben Wahrheiten nicht auszusprechen. Er überlässt sich den Selbstdarstellungen der Nats, er liegt gleichsam auf der Lauer: Was wissen diese merkwürdigen Geschöpfe von sich selbst?

Ist ihre Inszenierung bloßer Zynismus, oder genießen hier ein paar burmesische Lebemänner einfach ihr Schwulsein, ausgehalten vom Volke, unter den Augen einer Militärdiktatur.

K. Decker

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