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Kultur: Gesichtsbilder

entdeckt Kunstgeschichten in Künstlerporträts Fotos sprechen nicht. Auch die besten schweigen.

entdeckt Kunstgeschichten in Künstlerporträts Fotos sprechen nicht. Auch die besten schweigen. Aber gute Fotos können trotzdem gut erzählen – was in Zeiten der fotofixen Click-Kultur immer wichtiger wird. Zur Kunst werden Fotos, wenn sie zudem eine persönliche Handschrift haben, eine Signatur. So wie Ehrhard Wehrmanns Künstlerporträts, die unter dem Titel „fifteen document artists“ momentan in der Kunststiftung Poll zu sehen sind (Gipsstraße 3, bis 29. Oktober). Der Besucher kann Ben Vautier auf der legendären documenta 5 in tiefem Schlaf betrachten. Ein Mann im Bett vor seiner Kunst als „sculpture vivante“. Vielleicht träumt er. 1972 war es dem Publikum egal. Nur der Fotograf erlebt den Moment und hob ihn auf. Über Jahre traf Wehrmann „seine“ Künstler immer wieder: Henry Moore oder James Lee Byars, den er aufnahm, als er in einer Kunstaktion auf dem Dach des Fridericianums deutsche Namen rief – fast schon in den Wolken. Wehrmann erwischte einen zweifelnden Joseph Beuys, kurz bevor er zum unanfechtbaren Kunst-Schamanen wurde, Rebecca Horn wie ein Mädchen, noch verspielt, und Gerhard Richter als einen Atelierarbeiter, noch zugänglich. Der im letzten Jahr verstorbene Wehrmann war Autodidakt – und ein Meister in Sachen Menschenkenntnis und Bauchgefühl. Die Handabzüge sind dafür ein profunder Beweis (30er Auflage im Leinenschuber 4000 Euro).

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Schwarzes Leinen umhüllen Kassette und Bildband des Portfolios „Sigmar Polke – Mitten in der Luft“ mit den Fotografien von Angelika Platen (Edition mit 36 Exemplaren je 2400 Euro, Bildband 33 Euro). In den neuen Räumen der Galerie Hohenthal und Bergen erzählen die Fotos über Polke mehr als manche kunsthistorischen Traktate. Sein Blick durch die zerborstene Scheibe einer Telefonzelle, der Klimmzug an der Leiter, von oben gesehen, und vor allem sein Sprung im Hafen von Düsseldorf. Ein Moment nur – aber was für einer! Falls es vom Sprung des John Bock, der vor ein paar Wochen neben dem Hamburger Bahnhof einen freien Fall von der Brücke in die Spree riskierte, neben den zahllosen Videostills diese EINE Aufnahme geben sollte, kann er sie jetzt schon signieren (Friedrichstraße 210, bis 28. Oktober).

Thea Herold

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