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Kultur: Gesucht und nicht gefunden

Picasso, der nicht nur als Maler und Bildhauer in diesem Jahrhundert Maßstäbe setzte, sondern auch ein hervorragender Lieferant von Bonmots war, sagte einmal: "Ich suche nicht, ich finde." Bei Paul Gauguin war es, nach allem was man weiß, genau anders herum.

Picasso, der nicht nur als Maler und Bildhauer in diesem Jahrhundert Maßstäbe setzte, sondern auch ein hervorragender Lieferant von Bonmots war, sagte einmal: "Ich suche nicht, ich finde." Bei Paul Gauguin war es, nach allem was man weiß, genau anders herum.Er war ein Leben lang auf der Suche, aber das Finden wollte ihm nicht so recht gelingen.Dabei fehlte es ihm an vielem, nur nicht an Selbstgewißheit."Ich bin ein großer Künstler" - davon war Gauguin fest überzeugt.

Das gilt auch für die Nachgeborenen.Längst zählt Gauguin zu den Monolithen der Kunstgeschichte, seine Bilder hängen als Blickfang in den besten Museen der Welt, und entsprechend opulent fallen die Feierlichkeiten zu seinem 150.Geburtstag aus.48 Gemälde, darunter in Deutschland bislang nie gezeigte Leihgaben aus Moskau und St.Petersburg sowie Holzschnitte aus Gauguins berühmtem Tagebuch "Noa Noa": Ab heute ist die große Jubiläumsschau, die das Essener Folkwang-Museum organisiert hat, in der Neuen Nationalgalerie zu besichtigen.Die Gelegenheit, Gauguins Kunst in dieser Fülle zu erleben, wird sich so bald nicht wiederholen.

Der Erfolg der Ausstellung beim Publikum - in Essen kamen über 340 000 Besucher - läßt sich damit allerdings nur unzureichend erklären.Gauguin war ein großer Künstler - und eine tragische Figur.Rastlosigkeit ist sein Lebensprinzip: Mit Siebzehn macht sich Gauguin auf, fährt sechs Jahre zur See.Wieder in Frankreich, entdeckt er die "Sonntagsmalerei", nimmt Arbeit als Börsenmakler an, kommt schnell zu Geld - und verliert sein gesamtes Vermögen bei einem Crash im Jahr 1882.Fortan widmet sich der Autodidakt Gauguin, inzwischen mit der Dänin Mette-Sophie Gad verheiratet, ganz der Kunst.Er versucht sich im impressionistischen Stil, mit zweifelhaftem Resultat: Eine Ausstellung, die ihm Freunde 1885 in Kopenhagen vermitteln, wird zu einem Skandal.Sie muß nach fünf Tagen geschlossen werden, Gauguin reagiert verbittert und fährt nach Paris zurück.Ein Jahr darauf reist der 38jährige für drei Monate in die Bretagne und schließt sich der Künstlerkolonie in Pont-Aven an."Du würdest meine Malerei kaum wiedererkennen", schreibt er aus der Bretagne an seine Frau in Kopenhagen und schwärmt von der Anerkennung, die ihm die anderen Maler in Pont-Aven entgegenbringen.

Da hat er sich schon vom Impressionismus gelöst, seine Darstellungen werden flächiger, die Farbe und ihre Wirkung bekommt mehr und mehr Gewicht.1887 unternimmt Gauguin seine erste Flucht in die Karibik.Europa widert ihn an, die Sehnsucht nach einem "natürlichen" Leben treibt ihn fort.Um so enttäuschter ist er, als er in der französischen Kolonie Martinique feststellen muß, daß seine Vorstellungen von der unberührten Natur Illusionen waren.Er schimpft auf teure Preise und die "korrumpierte Zivilisation", erkrankt an Malaria und Ruhr.Trotzdem beginnt er zu malen - und ist begeistert: "Trotz meiner körperlichen Schwäche habe ich noch nie so hell und klar gemalt wie jetzt", berichtet er nach Hause.

Im November ist er wieder in Frankreich, wo er - als es daran geht, die Bilder zu verkaufen - wieder nur Enttäuschungen erlebt.Zwar interessieren sich Pariser Kunsthändler wie Durand-Ruel oder Theo van Gogh - der Bruder des Malers, mit dem Gauguin eine für beide anstrengende Künstler-Freundschaft pflegt - für seine Werke.Doch Hoffnungen auf Verkäufe zerschlagen sich ein ums andere Mal.So populär der Exotismus in den Metropolen der alten Welt ist, so wenig kann Gauguin daraus Kapital schlagen.Auf der Pariser Weltausstellung im Mai 1889, zu der auch der Eiffelturm entsteht, ist Gauguin besonders fasziniert von den südostasiatischen Pavillons.Zwei Jahre sollte es noch dauern, bis der Maler erstmals in die Südsee aufbricht.Auch hier stellt sich bald Frustration ein."Tahiti, das ist Europa, von dem ich mich befreit zu haben glaubte", beklagt er sich.In den Bildern, die er dort malt, ist davon freilich wenig zu spüren.Sie zeigen Insulanerinnen, die wie Göttinnen in einem fremden Erdenkreis leben - Augenwischerei der verfeinerten Art, die jedoch nicht wirkungslos bleibt.Sein Erfolg in Paris wächst - der schwierige Charakter in der weiten Welt, er war wohl nur aus der Ferne zu goutieren.

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str.50, bis 10.Januar 1999.Dienstag bis Donnerstag 10 - 20 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 - 22 Uhr.Katalog im Verlag DuMont 48 DM, im Buchhandel geb.98 DM.

ULRICH CLEWING

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