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Kultur: Gesundes Rauschgift

Wie Dirigent Christian Thielemann mit Kindern über Wagner diskutiert

Ab Freitag wird er wieder in Bayreuth den „Ring des Nibelungen“ dirigieren: 16 Stunden Wagner an vier Tagen, schwere Kost, nur für Erwachsene. So kennt man Christian Thielemann, den Eisenerzromantiker aus Berlin, den kühnsten Recken unter den deutschen Kapellmeistern, der in Klangfluten badet wie Siegfried im Drachenblut. Als EducationArbeiter, als Klassik-Streetworker, der mit iPod-Kids über Hochkultur diskutiert, mochte man sich den bekennenden Konservativen bisher kaum vorstellen. Doch, siehe da, er kann auch das: auf Augenhöhe mit Minderjährigen seine Ideale verteidigen.

Für eine neue CD-Serie hat ihn seine Schallplattenfirma Deutsche Grammophon in den „kleinen Hörsaal“ geschickt, zu Emely, Julia, Marie, Moritz und Richard. Aus den Boxen dröhnen „Tristan und Isolde“ sowie Richard Strauss’ „Alpensinfonie“; außerdem soll geklärt werden, was ein Dirigent denn eigentlich so macht. Während einige der hörbar gut vorbereiteten Kinder zum Altklugen tendieren, wirkt Christian Thielemann angenehm ungezwungen. Weil er gar nicht erst versucht, verniedlichend kindgerecht zu reden, sondern stattdessen seinen üblichen Tonfall einfach beibehält. Bei so einer Liebesnacht wie im zweiten „Tristan“- Akt, erklärt er, „da ist man dann schon gehobener Stimmung“.

Spannend wird es, wenn Thielemann aus dem Berufsalltag erzählt, vom Spaß, bei Kollegen Interpretationsideen zu klauen, von Hörtests, die Orchester mit jungen Dirigenten machen, indem sie extra falsche Töne spielen, vom Kampf um Meinungsführerschaft auf dem Podium, bei dem dieselben Spielchen gespielt werden wie zwischen Schülern und Lehrern.

Schade, dass die Edition nicht sehr sorgfältig gemacht ist: Die Kinder auf dem Cover sind eindeutig andere als auf den Fotos im Inneren des Beihefts. Man erfährt nicht, wie alt die Teilnehmer sind, und die Mühe, Thielemanns Lebenslauf so umzuschreiben, dass er für Klassik-Neulinge nachvollziehbar wird, wollte sich auch keiner machen.

Richtig gut ankommen dürfte bei den Hörern (empfohlen ab sieben Jahren) Thielemanns Plädoyer fürs Lustprinzip. Wer Schokoeis liebt, solle doch Schokoeis essen – statt zwanghaft Neues probieren zu wollen. Er hält’s mit Wagner schließlich auch so: „Das ist gesundes Rauschgift, das kannst du tagtäglich konsumieren, in großen Mengen – und du bist hinterher gesünder denn je.“ Frederik Hanssen

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