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In der Kritik. Der koreanische Filmemacher Kim Ki-duk.

© AFP/F. Monteforte

Gewaltvorwurf gegen Berlinale-Regisseur: MeToo oder die Freiheit der Kunst

Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk kommt mit einem Film zum Berlinale-Panorama. Eine Schauspielerin wirft ihm Gewalt am Set vor. Es steht Aussage gegen Aussage.

Nachdem Berlinale-Chef Dieter Kosslick kürzlich im Interview auch mit dieser Zeitung betonte, man zeige keine Produktionen, an denen Filmschaffende beteiligt waren, die MeToo-Fehlverhalten zugegeben haben, hat eine südkoreanische Schauspielerin ihren Vorwurf der sexuellen Gewalt gegenüber dem Regisseur Kim Ki-duk wiederholt. Das jüngstes Werk ihres Landsmanns, „Human, Space, Time and Human“, läuft im Panorama des Festivals.

Medienberichten zufolge ging die Schauspielerin, die anonym bleiben will, juristisch gegen den 57-jährigen Filmemacher vor, weil er 2013, bei den Dreharbeiten zu „Möbius“, körperliche und sexuelle Gewalt gegen sie ausgeübt haben soll. Laut Gericht handelte es sich um eine Ohrfeige am Set, die der Regisseur einräumte – sie sei ihm unterlaufen, weil er wollte, dass die Szene realistischer wird. Im Dezember 2017 zahlte er eine Strafe von fünf Millionen Won (rund 3800 Euro). Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, den Kim bestreitet, wurde mangels Beweisen fallen gelassen. Nun ging die Schauspielerin in Berufung. Der Berlinale wirft sie Scheinheiligkeit vor.

Dem Festival waren die Vorfälle bekannt. „Die Schauspielerin“, sagt Berlinale-Direktor Dieter Kosslick, „hat inzwischen erneut die Vorwürfe von 2013 erhoben. Der Regisseur bestreitet diese nach wie vor.“ Das Panorama habe sich entschieden, nicht in eine Vorverurteilung zu gehen. „Selbstverständlich verurteilen wir jegliche Gewalt am Set, egal ob sexueller oder anderer Natur,“ so Kosslick. Man habe, so auch die neue Panorama-Leiterin Paz Lázaro „eine bewusste kuratorische Entscheidung“ getroffen, den Film zu zeigen. Es handele sich um eine „Allegorie auf die Bestie Mensch“, die in „teils drastischen Bildern Gewalt von Männern gegen Frauen und Männer zum Thema hat“.

In Zeiten, in denen „Debatten um die Trennung von Kunstwerk und Künstler einen ersten Höhepunkt erreichen und die Diskussionen über den Zusammenhang von Werk und Person vielerorts leidenschaftlich geführt werden“, wolle man einen Beitrag zu dem wichtigen Thema leisten. Kim Ki-duk kommt nach Berlin, laut Lázaro wolle er sich der Diskussion stellen. Man habe sich gegen schnelle Antworten auf komplizierte Fragen entschieden, wolle einen Ort schaffen für Dialog, „im Kino und darüber hinaus“.

Kim Ki-duk, einer der bedeutendsten Regisseure Südkoreas, ist als Regie-Berserker bekannt. Sein gesamtes Oeuvre befasst sich mit Gewalt, Sadismus und Ausbeutung, in der Familie, zwischen Männern und Frauen, gegenüber Kindern. Seine Filme sind Höllenfahrten, Moritaten, grausam, unerbittlich, wahrhaftig, mit umstrittenen Frauenbildern. Doch sie kennen auch das Erbarmen. Für das Schuld- und Sühnedrama „Pietà“ gewann er Gold in Venedig 2012, der erste Hauptpreis eines großen internationalen Festivals für einen koreanischen Film.

Auch „Möbius“ skizziert einen Teufelskreis aus Obsession und Schuld, der Film thematisiert nicht zuletzt männliche Genitalfixierung. Und in „Arirang“, seinem radikal persönlichen Dokumentaressay von 2011, hatte Kim Ki-duk die eigene Schaffenskrise, Skrupel und Schuldgefühle nach einem beinahe tödlichen Unfall auf dem Set seines vorhergehenden Films publik gemacht.

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