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Giorgio Moroder

© imago images / ZUMA Press

Giorgio Moroder in Berlin: Für immer funky

Er ist ein Discogott, der den Munich Sound erfunden hat: Giorgio Moroder zelebriert im Berliner Tempodrom seine Welthits.

Die Ewigkeit ist knapp sechs Minuten lang. Sie beginnt mit einem supertrockenen Electrobeat, mit schnarrenden HiHats und mit einer Astronautenstimme, die verzerrt durch einen Vocoder schnauft: „From here to eternity, that’s where she takes me.“ Es geht offenbar um Sex, ums Wegdriften in die Glückseligkeit, ums Loslassen und Verlorengehen. „Baby“, brummt der Sänger, und eine Backgroundsängerin antwortet hauchend: „Baby“.
Giorgio Moroder ist ein begnadeter Musikproduzent und Komponist, ein Discogott, der den Munich Sound begründet hat, doch seine Fähigkeiten als Sänger sind limitiert. Zur klaustrophobischen, im Refrain mit blubbernden Synthesizergirlanden aufgehellten Maschinenmusik seines Songs „From Here to Eternity“ passt die Nichtstimme allerdings bestens. Das Titelstück eines Albums aus dem Jahr 1977 war bereits ein House-Music-Hit, als House noch gar nicht erfunden war. Es gehört zu den Höhepunkten von Moroders Auftritt im nicht ganz ausverkauften Berliner Tempodrom. Die Zuhörer im Innenraum sind von ihren Sitzen aufgesprungen, sie wippen, rudern verzückt mit den Armen. Lost in Music.

Spätes Tourneedebüt

Moroder ist 78 Jahre alt und zum ersten Mal mit seiner Musik unterwegs. Seltsamerweise hat er die Tournee „The Celebration of the ’80s“ genannt, obwohl ein großer Teil des Materials, das er mit einer fünfköpfigen Band, mit vier Streicherinnen, drei Sängerinnen und einem Sänger aufführt, aus den siebziger Jahren stammt. Aber ästhetisch verspricht der Titel nicht zu viel. Die Bühne, immer wieder in grottenblaues Scheinwerferlicht getaucht und von Stangen flankiert, an denen fluoreszierende Lichter hochkriechen, erinnert an den Look einer frühen Ausgabe der Großhallen-Fernsehshow „Wetten, dass...?“. Über die Leinwand im Hintergrund bewegen sich geometrische Figuren wie aus den Anfängen der Videospielära. Oft ist dort aber nur das Signet des Musikers zu sehen: Wuschelkopffrisur, Sonnenbrille, Schnauzbart.
Der Abend beginnt mit einer Lokalreferenz: dem Bubblegum-Hit „Looky Looky“, den Moroder Ende der sechziger Jahre schrieb, als er zusammen mit Michael Holm in Berlin Songs für einen Musikverlag fabrizierte. „Er hat mir Geld, ääh Glück gebracht“, erzählt Moroder. Das frenetisch scheppernde Stück, das in den Zeilen „Looky, looky, looky, looky / She’s my brand new girl“ gipfelt, verkaufte sich 1,4 Millionen mal. Später gründete er in München die Musicland Studios, in denen Queen, die Rolling Stones und Led Zeppelin aufnahmen, bevor er nach Los Angeles zog, um als Filmkomponist zu reüssieren und vier Grammys und drei Oscars zu gewinnen. Moroder kreiierte Sounds, aber keinen eigenen Stil. Entsprechend durchwachsen ist das Konzert, großartige Momente wechseln mit solchen, die eher cheesy sind.

Ratternde Maschinenmusik

„Bad Girls“, einer der größten Erfolge der von Moroder in München entdeckten Donna Summer, ist purer Funk. Die glitzernde Kälte von „Chase“, das Moroder für Alan Parkers Thriller „Midnight Express“ schrieb, erreichte einen Grad der elektronischen Abstraktion, der im Hollywoodkino neu war. Moroder steht wie ein DJ hinter einem Tresen in der Bühnenmitte, dreht gelegentlich an einem Mischpultregler, hebt immer wieder die Arme, um die Fans zum Mitklatschen zu animieren. Und er plaudert. Für Donna Summers Stöhn-Erfolg „I Feel Love“, entstanden an einem Moog-Synthesizer, habe er erst einen Klick, dann einen Basslauf, dann eine Snaredrum, schließlich ein paar Farfisaorgelakkorde gebraucht. Schon rattert der Song los. Mit der Kraft von Summers Stimme kann ihre Wiedergängerin aber bei weitem nicht mithalten.

Comeback mit Daft Punk

„Giorgio by Moroder“ heißt der Track des French-House-Duos Daft Punk, mit dem Moroder vor ein paar Jahren ein Comeback schaffte. „My name is Giovanni Giorgio, but everybody calls me Giorgio“, erzählt der Musiker da. Als er das Stück spielt, verwandelt sich das Tempodrom in eine euphorisch tanzende Disco. Der Abend konfrontiert die Besucher allerdings auch mit einer weniger schönen Vergangenheit. Die aufschäumende Fantasyballade „Never Ending Story“, einst von dem Ananas-köpfigen Sänger Limahl in die Charts gebracht, sowie das bedeutungsschwanger hallende „Take My Breath Away“ und das gniedelig-röhrende „Danger Zone“ aus dem „Top Gun“-Soundtrack stehen für die klebrige Seite der achtziger Jahre. „Top Gun 2: Maverick“, die Fortsetzung des Actionfilms, soll mit einem Remix von „Danger Zone“ ins Kino kommen, droht Moroder.

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