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Kultur: Gläserner Anschluss: Tranzparenz der Einfühlsamen

Die Spandauer Vorstadt ist ein typisches Stück Berlin, doch auch einer der städtebaulich sensibelsten Bereiche der Stadt. Von den Bomben des Weltkriegs und der sozialistischen Stadtplanung ist die einst größte Vorstadt Berlins weitgehend verschont geblieben.

Die Spandauer Vorstadt ist ein typisches Stück Berlin, doch auch einer der städtebaulich sensibelsten Bereiche der Stadt. Von den Bomben des Weltkriegs und der sozialistischen Stadtplanung ist die einst größte Vorstadt Berlins weitgehend verschont geblieben. So konnte sie ihren im 18. / 19. Jahrhundert ausgebildeten Charakter bewahren: als ein Flächendenkmal, dem nicht nur Touristen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Das weit reichende Mitspracherecht des Denkmalschutzes bedeutet hier allerdings keineswegs architektonische Stagnation. Vorhandene Baulücken müssen nicht zwangsläufig mit historisierenden Neubauten im Stil des "Neuen Hackeschen Marktes" geschlossen werden.

Dass sich gerade moderne Architektur ausgezeichnet in das Denkmalensemble einfügen und gleichzeitig zum Blickfang werden kann, haben die jungen Architekten Armand Grüntuch und Almut Ernst jetzt mit ihrem Wohn- und Geschäftshaus am Hackeschen Markt 2 / 3 bewiesen. Während das Vorderhaus als Bürogebäude dient, bleibt der Seitenflügel, der sich in die Tiefe des Grundstücks erstreckt, dem Wohnen vorbehalten. An Stelle eines traditionellen steinernen Hauses setzen Grüntuch und Ernst bei ihrem Neubau auf Transparenz, passen ihr Gebäude jedoch auch an seine Nachbarn an. Die von den Hackeschen Höfen vorgegebene Geschosshöhe wird übernommen. Auch auf den im "neuen" Berlin beliebten Naturstein verzichten die Architekten nicht vollständig. Sie setzten blau-grau schimmernden Blaustein aus der Umgebung Aachens zurückhaltend ein, um die beiden Bauteile zu akzentuieren, die die Architekten zur Straße hin ausgebildet haben. So fasst der Naturstein das schmale, turmartige Treppenhaus mit seinem Flachdach rahmenartig ein.

Bei dem eigentlichen Bürohaus mit gläsernem Steildach samt Sonnenschutz aus Aluminium findet der Blaustein dagegen für Geschossbänder Verwendung, die die Fassade horizontal gliedern. Auch diese optische Aufteilung des Vorderhauses in zwei Bauteile steht im Dienste des historischen Ensembles. Durch sie gelingt es, zwischen den unterschiedlichen Höhenniveaus angrenzender Nachbarbauten elegant zu vermitteln. Nebenbei erhält die Front des eigenen Gebäudes eine zusätzlich interessante Note. Die Offenheit der Fassade findet sich im Inneren des Gebäudes wieder, etwa in dem gebäudehohen foyerartigen Treppenhaustrakt. Entlang der mit satinierten Glasplatten verkleideten Brandwand zum Nachbarhaus verjüngt sich das Foyer, sanft geschwungen, bis zur Treppe. Deren Stufen sind - wie der Bodenbelag des Foyers - aus noblem schwarzem Naturstein. Die Treppe führt zu laubengangartigen Galerien, von denen aus Wohnungen des Seitenflügels und Büros des Vorderhauses erschlossen werden.

Ein Clou des Gebäudes ist der Bereich oberhalb des Eingangs. Optisch gehört er zum Treppenhaustrakt, funktional ist er den großzügigen Büroetagen zugeordnet, von denen aus er erschlossen wird. Dort haben die Architekten zwei doppelgeschossige Besprechungsräume untergebracht. Solchem Raumluxus entspricht die aufwändige Wandgestaltung mit scharrierten Blausteinplatten und Edelstahlprofilen in den Plattenfugen. Die Büroetagen sind zum Hof hin durch Glaswände und Einbauschränke in kleinere Einheiten unterteilt. Zur Straße präsentieren sie sich als großzügig offener Raum, von zwei Betonstützen gegliedert. Auch technisch ist das Haus ambitioniert: Die doppelte Glasfassade und 40 cm dünne Betondecken, in denen sich sämtliche Installationen verbergen, machen den Bau zum Niedrigenergiehaus. Im Dachgeschoss des Vorderhauses sowie in dem sanft S-förmig geschwungenen Seitenflügel sind Apartments untergebracht. In den Obergeschossen wurden sie als Maisonettes ausgeführt, halten ein etwas größeres Raumangebot bereit. Der Wohnungsgrundriss ist funktional schlicht mit offener Küchenzeile. Verschiebbare Sichtschutzpaneele sollen für Privatsphäre hinter der Glasfassade sorgen. Vom pittoresken Dachgarten mit Holzbank und Buddelkasten bietet sich ein schöner Blick über die Stadt und in den beschaulichen Hof mit kleinem Wasserbecken. Dank seiner Klarheit und seines einfühlsamen Bezugs zur Umgebung macht das Haus am Hackeschen Markt neugierig auf weitere Projekte von Grüntuch und Ernst. Derzeit realisieren sie in Hamburg ein gläsernes Bürohaus, am nahen Monbijou-Park in Mitte planen sie ein Wohnhaus.

Jürgen Tietz

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