zum Hauptinhalt

Kultur: Glamour oder Gerechtigkeit

Morgen ist Lola-Tag. Der Deutsche Filmpreis und die Filmakademie – zwei Berliner Produzenten im Streitgespräch

Beim Deutschen Filmpreis sind diesmal manche wichtige Filme nicht nominiert, etwa „Lucy“, „Falscher Bekenner“, „Sehnsucht“ oder „Pingpong“. Repräsentiert die Deutsche Filmakademie, die die Preisträger wählt, den deutschen Film?

STEFAN ARNDT: Das müssen doch Sie beurteilen. Die Wahl ist demokratisch. Und da kann es immer mal passieren, dass einem das Ergebnis nicht passt.

FLORIAN KOERNER VON GUSTORF: Das ist das Problem. Die Akademie ist gar nicht greifbar, keines der Mitglieder hat die Entscheidung zu vertreten.

ARNDT: Aber wir machen aus dem Abend, der früher eine recht konventionelle Veranstaltung war, eine Werbeveranstaltung für den deutschen Film. Für die ZDF-Übertragung haben wir eine noch bessere Sendezeit erreicht. Wir sind nicht „Wetten dass“, aber unsere Quoten werden besser, das hilft dem deutschen Film.

Schon bei den Nominierungen schielt die Akademie immer stärker auf Kassenhits. „Das Parfum“ und „Wer früher stirbt, ist länger tot“ rangieren vorne.

KOERNER: Ein Kulturpreis muss sich von Quoten freimachen. Ich finde es sehr schade, dass ein Film wie Valeska Grisebachs „Sehnsucht“ nicht mal in der Vorauswahl war.

ARNDT: In diesem Jahr haben mehr als 850 Mitglieder gewählt, früher war es ein Gremium aus sechs bis zehn Mitgliedern. Die haben auf Proporz gesetzt und den künstlerischen Film zum Ausgleich für den kommerziellen belohnt. Das brachte auch nur Pseudogerechtigkeit.

Aber wie verträgt sich die Mehrheitsnivellierung damit, dass der Preis ja nicht für den Kassenerfolg vergeben wird, sondern für besondere „kulturelle Leistungen“?

KOERNER: Über Kultur kann man nicht so abstimmen. Eine Jury wie bei großen Festivals ist in jeder Hinsicht besser. Nur sie kann nach der Sichtung aller Filme im Kino die Entscheidungen treffen und in der Öffentlichkeit dafür einstehen.

ARNDT: Ich war mal in einer Jury, da waren alle Entscheidungen unmöglich instrumentalisiert. Der Filmpreis ist hoch dotiert, für so viel Geld brauchen wir ein niet- und nagelfestes System. Natürlich beflügelt das nicht gerade die Transparenz. Aber jetzt entscheiden mehr Leute, die wissen, was es bedeutet, heutzutage Filme zu machen.

Mit dem Ergebnis, dass die Branche fast drei Millionen Euro Steuergelder unter sich aufteilt. Das ist das Hauptproblem.

ARNDT: Das wird in der Akademie kontrovers gesehen. Ich finde, wir könnten den Filmpreis auch ohne Dotierung gut hinkriegen, zumal er – siehe „Das Leben der Anderen“ – ja auch dem eigentlichen Kinogeschäft einen Schub gibt. Die andere Fraktion warnt davor, auf diese Steuergelder zu verzichten, weil sie dem Film dann ganz verloren gehen könnten.

KOERNER: Wir haben in Deutschland keine Filmindustrie, die sich die Preisvergabe ohne Geld leisten könnte. Das Geld dient immer als Anschubfinanzierung für den nächsten Film des Regisseurs.

Warum ist dann ein wichtiger Mann wie Florian Henckel von Donnersmarck nicht auch gleich Mitglied geworden?

ARNDT: Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Wahrscheinlich ist er nach den Oscars froh, in einer anderen Akademie zu sein.

Die Mitgliederzahl stagniert bei 900. Die französische Akademie hat 3500 Mitglieder, die Oscar-Academy 6000. Ihnen fehlt sogar ein ganzes Spektrum – die Regisseure der sogenannten Berliner Schule.

ARNDT: Ich kann den Leuten ja nicht auf der Straße hinterherlaufen. Aber von Jahr zu Jahr werden es mehr. Die einzigen, die ich persönlich massiv bewerbe, sind die Filmschaffenden aus der ehemaligen DDR. Die haben wir Westler beschissen behandelt, fast keiner von ihnen hat es geschafft, nach der Wende Fuß zu fassen. Was die Zahl betrifft: Die Franzosen und Amerikaner nehmen auch Fernsehleute auf, wir konzentrieren uns aufs Kino. Und neue Mitglieder müssen mindestens drei Produktionen nachweisen. Wobei wir bei Regisseuren schon mal eine Ausnahme machen.

KOERNER: Wenn Christian Petzold und Henner Winckler nicht Mitglied sind, dann sind sie es eben nicht. Trotzdem reichen wir ihre Filme ein. Wenn allerdings der Anreiz des Preisgelds fehlen würde, hätten wir bei Wincklers „Lucy“ darauf verzichtet. Warum soll man 800 DVDs von „Lucy“ an die Mitglieder verschicken, wenn man nicht wirklich glaubt, dass der Film eine Nominierungs-Chance hat?

Was müsste denn passieren, damit Sie selber Akademie-Mitglied werden?

KOERNER: Das steht nicht an. Ich würde es auch gar nicht schaffen, die DVD-Riesenkiste mit den Filmpreis-Kandidaten in der vorgegebenen Zeit anzusehen.

ARNDT: Als Produzent solltest du schon wissen, was in Deutschland in Sachen Film so passiert. Jedes Jahr entdecke ich beim Sichten Filme, die ich sonst aus purem Vorurteil übersehen hätte. Dabei gibt es ja nie nur pure Kunst oder puren Kommerz, wir leben in der Zwischenwelt.

Für wen produzieren Sie Filme eigentlich?

KOERNER: Ein Kollege sagte einmal, wir machen Filme nicht für den Markt, sondern unsere Filme finden ihren Markt. Natürlich ist es enttäuschend, wenn Petzolds „Gespenster“ nur 30 000 Zuschauer erreicht. Aber schon 100 000 hätten uns glücklich gemacht; der Verleih hätte schwarze Zahlen geschrieben und wir hätten Förderung zurückgezahlt. Mehr schafft hierzulande nur die Constantin.

ARNDT: Mir ist jeder Zuschauer wichtig, wobei ich bei jedem Film schon die ganz vielen Besucher haben möchte. Und Subventionen sind wichtig für kulturell besonders ehrgeiziges Kino oder den Nachwuchs. Aber gerade weil Filme unfassbar teuer sind, müssen wir uns massiv darum kümmern, dass sie adäquat ausgewertet werden. Als Subventionsempfänger konkurrieren wir mit den Kitas und den Hartz -IV-Empfängern, da sollten wir den Umgang mit Geld brutal ernst nehmen.

KOERNER: Der Kita-Vergleich ist doch Quatsch, ein Totschlagsargument. Als eines der reichsten Länder der Erde kann Deutschland seine Filmförderung doch nicht in Frage stellen.

Ist „Das Parfum“ überhaupt ein deutscher Film? Er erfüllt zwar mit zwei der drei Bedingungen – deutsche Sprache, deutscher Produzent, deutscher Regisseur – die Akademie-Kriterien, ist aber nun mal ein englischsprachiger Film mit Hollywoodstars.

ARNDT: Vorlage ist ein deutscher Roman. Außerdem ist Tom Tykwer der einzige deutsche Regisseur von Rang, der mit seinem Team den Sprung nach Hollywood geschafft hat. Das sind im Kern dieselben Leute, mit denen wir damals „Die tödliche Maria“ gemacht haben.

KOERNER: Aber Dustin Hoffman als bester Nebendarsteller auf der Vorauswahlliste – da hab’ ich dann doch gelacht!

ARNDT: Ich auch, da freuten sich viele.

Wie wird man Produzent, und warum bleibt man es?

KOERNER: Wir kamen von der praktischen Seite, mein Kompagnon Michael Weber und ich. Wir haben für die dffb gearbeitet, als Beleuchter und Tonmann, und 1991 die Seiten gewechselt. Seitdem haben wir das Glück, die Filme produzieren zu können, die wir selber mögen.

ARNDT: Ich finde den Job immer noch super. Zumal der Produzentenberuf ehrenwert ist und wichtig, das hat sich in Deutschland nur noch nicht so herumgesprochen. Man macht immer wieder was Neues. Ich hatte vorher zehn Jahre lang Kino gemacht, das hatte ich damals echt satt. Immer zeigen, was andere erfunden haben und sich dann auch noch vorwerfen lassen, was auf der Leinwand abgeht. Da wollte ich lieber gleich richtig schuld sein.

KOERNER: Unsere Unternehmen kann man kaum vergleichen. X-Filme hat 50 Angestellte, wir sind zwei Gesellschafter und drehen null bis einen Film pro Jahr. Wir haben zwar wenig Geld für die Entwicklung, können uns aber lange mit einem Einzelprojekt befassen.

ARNDT: Früher war das bei uns ähnlich: Wenn man einen Stoff anfing, musste man ihn auch realisieren. Heute produzieren wir zwei bis fünf Filme pro Jahr. Und man muss sich als Produzent was trauen. Nicht in dem Sinne, dass man Risiken eingeht, sondern indem man sich auf hoher Vertrauensebene mit den Kollegen auseinandersetzt. Regisseure brauchen das.

Schließt das auch ein, etwa Wolfgang Becker zur Arbeit anzutreiben? „Good Bye, Lenin!“ ist vier Jahre alt.

ARNDT: Wolfgang drängen zu wollen, ist illusorisch. Der kommt schon wieder – immer überraschend. Außerdem ist Zeit unglaublich kostbar: Ich kann heute auch mal was liegen lassen, wenn in einem Drehbuch der Wurm drin ist. Bei „Das Leben ist eine Baustelle“ mussten wir drehen, um von irgendwas zu leben, aber die Geschichte war nicht fertig entwickelt. Natürlich habe ich damals wütend das Gegenteil behauptet, aber wir hätten besser noch ein Jahr gewartet.

Verraten Sie uns eine Droge, die man als Produzent braucht.

ARNDT: Kaugummi ist gut. Und sich das Rauchen abgewöhnen.

KOERNER: Viel Sport. Eine tolle Tochter. Eine bildhübsche Freundin. Einen gelassenen Kompagnon. Geringe Unkosten. Zeit. Und erkennen, dass man nicht alles machen muss und trotzdem ein glücklicher Mensch sein kann.

Und welche Droge würden Sie meiden?

KOERNER: Drogen.

– Das Gespräch führten Christiane Peitz und Jan Schulz-Ojala.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false