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Kultur: Glanz und Gloria

Die Sammlung von Josef Haubrich legte nach 1945 den Grundstein für den Aufstieg von Köln zur westdeutschen Kunsthauptstadt. Der Rechtsanwalt hatte viele Meisterwerke von Kirchner, Chagall oder Dix vor den Nazis gerettet. Nun feiert das Wallraf-Richartz-Museum mit einer Ausstellung die modernen Klassiker seines Mäzens.

Als der Rechtsanwalt Josef Haubrich seine Kunstsammlung im Frühjahr 1946 dem Wallraf-Richartz-Museum seiner Heimatstadt Köln zum Geschenk machte, wurde das als eine nicht nur großherzige, sondern vor allem ermutigende Geste verstanden. Das Museum lag in Trümmern, und es sollte bis 1957 dauern, bis das Haus – der erste Museumsneubau der jungen Bundesrepublik – eröffnet werden konnte. Bundeskanzler Adenauer, bis 1933 Oberbürgermeister Kölns, mochte an der Einweihung nicht teilnehmen, der Bau des Architekten Rudolf Schwarz erinnere ihn „an eine Fabrik“.

Das zu erwähnen, ist keine Abschweifung, es kennzeichnet vielmehr die gesellschaftliche Atmosphäre immerhin bereits ein Jahrdutzend nach Kriegsende. Es waren die Jahre der Restauration. Haubrichs Tat dagegen steht für den Aufbruch nach den Jahren der Nazi-Barbarei, und dies umso mehr, als der Kern der Sammlung aus zuvor als „entartet“ gebrandmarkter Kunst bestand. Das war das Signal, das Haubrich aussenden wollte, er, der selbst durchaus kein Dissident war, sondern als bestens vernetzter Rechtsanwalt aus der Mitte der kölschen Honoratiorengesellschaft kam.

Die Adenauer-Zeit ist lange vorbei, und Haubrichs Schätze gehören zum Vorzeigebestand des Museums. Es war vor zwölf Jahren eine der ersten Amtshandlungen des nun scheidenden Direktors des Museum Ludwig, Kasper König, die Sammlung Haubrich als solche kenntlich zu machen und auszustellen. Jetzt ist sie, umfangreicher denn je, im Obergeschoss des Museums mit Blick auf die Türme des Kölner Doms, der durch die glasgedeckten Dächer des Museumsneubaus von 1986 hereinlugt, zu bewundern. Vor allem aber liegt – endlich! – ein wissenschaftlicher Katalog vor, der die Geschichte eines jeden einzelnen Haubrich-Werks nachverfolgt.

Von den insgesamt 246 Stücken der Sammlung sind 77 Gemälde und Skulpturen im Museum Ludwig ausgestellt, dem Nachfolger des mittlerweile auf die Kunst vor 1900 beschränkten Wallraf-Richartz-Museums. Vor allem aber: Nun ist der Bestand hinsichtlich der Provenienz wissenschaftlich aufgearbeitet – soweit das möglich ist, gingen doch mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 auch der Nachlass Haubrichs sowie die Ankaufsbelege des Museums verloren. Der Verdacht, wenn auch deutlich geringer geworden, lastet auf Haubrichs Ankäufen, es könnte sich darunter das ein oder andere „NS-verfolgungsbedingt entzogene“ Kunstwerk aus ehedem jüdischen Besitz befinden. Immerhin wurde ein Gemälde von Otto Mueller bereits 1999 an die Erben des Breslauer Sammlers Ismael Littmann restituiert, um sogleich durch nunmehr rechtmäßigen Erwerb dem Museum erhalten zu werden.

Haubrich, der bereits seit den frühen zwanziger Jahren zeitgenössische Kunst sammelte und 1923 das „Porträt Dr. Koch“ von Otto Dix erwarb, kaufte wie vor 1933 auch weiterhin bei Händlern und Galeristen, nicht auf Auktionen, über die die erdrückende Mehrzahl an NS-Raubgut verschleudert wurde. Als Jurist dürfte Haubrich die Problematik dessen erkannt haben, was unter NS-Gesetzen legal war, aber eben nicht legitim nach Maßstäben, die ihm, der mit einer jüdischen Frau verheiratet war und dadurch berufliche Nachteile wie den Ausschluss aus seiner bisherigen Kanzlei erlitt, sehr wohl vor Augen standen. Ohne Haubrich wären die Kunstwerke womöglich für immer verloren gewesen, die jetzt in Köln glänzen.

Und was da glänzt: Ernst Ludwig Kirchners „Fünf Frauen auf der Straße“ von 1913, die dem Essener Folkwang-Museum gehört hatten und die das Kölner Museum mit Mitteln des Haubrich-Fonds 1947 ankaufte, zur Zeit bitterster Not. Der Sammler hatte bereits 1924 Kirchners „Halbakt mit Hut“ von 1911 erworben, eine Postkartenberühmtheit, nicht zuletzt, weil die Sammlung Haubrich in den fünfziger Jahren durch ganz Deutschland tourte, fehlte ihr doch ein festes Dach in Köln.

Erich Heckels „Kanal in Berlin“ von 1913, ehemals Kunsthalle Bremen, erwarb Haubrich von dem zum Handel mit „entarteter“ Kunst beauftragten Händler Hildebrand Gurlitt. Von dessen Vetter Cornelius kaufte er Dix’ grandioses Porträt des Dichters Theodor Däubler von 1927, das ehedem in der „Modernen Abteilung“ der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais hing. Mit Dix war der Jurist befreundet. 1951 malte der Künstler den „Doktor Josef Haubrich“ in Anwaltsrobe – wie auch, auf dessen Auftrag hin, den Kölner Bürgermeister Robert Görlinger, einen Sozialdemokraten, der jahrelang im KZ gesessen hatte.

Und neben den Expressionisten und Veristen Werke von Max Ernst, Chagall, Feininger, Skulpturen von Maillol, Mataré, Wilhelm Lehmbruck, dazu Kleinplastik von Renée Sintenis. Besonders hervorgehoben werden zudem drei rückseitig bemalte Bilder, darunter „Fränzi in Wiesen“ von 1910 auf der Rückseite des bekannten „Halbaktes“ von Kirchner und bislang noch nie im Museum gezeigt.

Haubrichs Gabe katapultierte das Wallraf-Richartz-Museum in die erste Riege der deutschen Moderne-Sammlungen. Was seiner Kollektion fehlte, suchte der erste Nachkriegs-Generaldirektor der Kölner Museen, Leopold Reidemeister, gezielt zu erwerben. Finanziell konnte er dabei auf den „Haubrich-Fonds“ zurückgreifen. Das war das Gehalt, das der listige Haubrich sich als Gegenleistung für sein Geschenk von der Stadt Köln ausbedungen hatte, um es in voller Höhe für Ankäufe des Museums zur Verfügung zu stellen. Damit konnte Reidemeister 1952 das berühmte Kirchner-Gemälde „Die Künstlergemeinschaft Brücke“ von 1926 erwerben, das bis zum NS-Bildersturm der Berliner Nationalgalerie gehört hatte.

So wird deutlich, worin, über ihre künstlerische Qualität hinaus, die zeitgeschichtliche Bedeutung der Sammlung Haubrich besteht. Viele Hauptstücke stammen aus öffentlichen Sammlungen, die 1937 ihrer modernen Werke beraubt wurden. Haubrich hat diese Werke fallweise auflesen können, von Händlern erworben, die sie im Auftrag der Nazis zu Valuta machen sollten. Haubrich engagierte sich seit den frühen zwanziger Jahren für die Moderne, und er hielt an seinem Einsatz fest bis er 1961 starb. Nach dem Krieg führte er ein großes Haus im Prominentenvorort Müngersdorf, entworfen von Wilhelm Riphahn, einem weiteren Kölner Architekten der Moderne.

Ohne Haubrich, sagt Kasper König heute, hätte es Leute wie die Ludwigs als Sammler nicht gegeben, überhaupt all die Kunstfreunde, die Köln in seiner Glanzzeit vor 1989 kulturell groß machten. Dass die Autorinnen des Katalogs, die einer Generation angehören, die diese Glanzzeit nicht einmal mehr in ihrem Abendrot erlebt hat, mit Haubrichs Verhalten während der NS-Zeit hadern, belegt nur den Zeitabstand. Haubrichs Agieren streifte naturgemäß auch Grenzen. Überschritten jedoch, soweit es sich heute erkennen lässt, hat er sie nie.

Köln, Museum Ludwig, auf Dauer. Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 36 €.

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