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Glaube & Wissenschaft: Auch Aliens sind Gottes Geschöpfe

Was würde die Entdeckung außerirdischen Lebens für die Theologie bedeuten? Zu Besuch in der Sternwarte des Vatikans

Die höchsten Punkte des Vatikans sind seine Kuppeln. Nicht nur die des Petersdoms, sondern auch jene metallisch glänzenden Hauben auf dem Apostolischen Sommerpalast in Castel Gandolfo, unter denen die drei Großteleskope der päpstlichen Sternwarte stehen. Auf dem Mount Graham in Arizona wiederum, in 3190 Meter Höhe, steht das modernste Teleskop der USA – das ebenfalls dem Vatikan gehört. Ihre astronomische Spitzenforschung hat die Kirche größtenteils in den Wilden Westen ausgelagert, seit die expandierende Lichterflut Roms die päpstliche Sicht auf den Himmel trübt.

Was aber sucht der Vatikan in den Sternen? Die Widerlegung wissenschaftlicher Erkenntnisse? „Nein“, sagt José Funes, der 44-jährige Jesuit aus Argentinien, der die „Specola Vaticana“ leitet: „Wir forschen wie jedes andere Observatorium.“ Eine katholische Astronomie, die die „Specola“ von weltlichen Einrichtungen unterscheide, gebe es nicht. „Aber eine Brücke zwischen Kirche und Wissenschaft sind wir durchaus.“

Seit 1582 interessiert sich der Vatikan für Astronomie – zunächst, um die Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. abzusichern, ab 1891 dann, seit der Neugründung der Sternwarte durch Leo XIII., um der Welt die Verbundenheit der Kirche mit der Wissenschaft zu demonstrieren. „Heute suchen wir uns frei die Themen aus, die uns wissenschaftlich am interessantesten erscheinen“, sagt Padre Funes. „Niemand aus der römischen Kurie setzt uns Wunsch- oder Verbotslisten vor.“ So ist Funes selbst Spezialist für Scheibengalaxien, während sich die elfte „Sommerschule“, mit der die „Specola“ alle zwei Jahre astronomische Doktoranden aus aller Welt mit führenden Astronomen zusammenbringt, sich diesen Juli vier Wochen lang mit Planeten außerhalb des Sonnensystems beschäftigte.

Was würde die Entdeckung außerirdischen Lebens für die Theologie bedeuten? „Ich sähe da keine Schwierigkeiten“, sagt Padre Funes: „Auch dieses Leben wäre Geschöpf Gottes.“ Was aber, wenn es menschenähnliche Wesen wären? Schließlich schickte Gott seinen einzigen Sohn just auf die Erde – wären die Bewohner anderer Planeten also von der Erlösung ausgeschlossen? Funes kontert: „Im Evangelium gibt es ja auch das Gleichnis, dass ein Hirte seine 99 Schafe alleine lässt, um nach dem einen verlorenen zu suchen. Vielleicht sind ja das gerade wir.“ Im Übrigen seien auch mit der Entdeckung Amerikas „biblisch nicht vorgesehene“ Menschen aufgetaucht, bei denen lange darüber gestritten worden sei, ob sie eine Seele hätten und erlösungsfähig seien. Dagegen wäre das Auftauchen außerirdischen Lebens für die Theologie ein vergleichsweise kleiner Brocken.

Und wie verträgt sich die Theorie vom Urknall mit der christlichen Schöpfungslehre? Die Internationale Theologenkommission des Vatikans befindet: „Die Theorie des ‚Big Bang‘ widerspricht nicht der Lehre von der göttlichen Erschaffung der Welt aus dem Nichts.“ Sie könne die christliche Lehre sogar „indirekt unterstützen“. Funes hingegen hebt auf etwas anderes ab: „Big Bang“ sei Wissenschaftssprache, „Schöpfung“ religiöse Sprache. Auch die Botschaften seien verschieden. „Die Wissenschaft sagt uns etwas über Alter und Ausdehnung des Universums, die Bibel sagt uns, dass wir nicht Kinder des Chaos sind, sondern eines Schöpfers, der uns liebt.“ Die Theorie vom Urknall sei zwar die wissenschaftlich beste Erklärung, die uns derzeit zur Verfügung stehe, sagt Funes. Aber auch wenn in einigen Jahren eine andere, noch bessere Theorie entwickelt werde, sei die biblische Lehre von der Erschaffung der Welt damit nicht erledigt.

Das Interesse der Kurie an der Astronomie allerdings scheint sich in Grenzen zu halten. Die Glaubenskongregation habe die „Specola“ zuletzt in den achtziger Jahren besucht, erzählt Funes, eine Gruppe englischer Bischöfe sei da gewesen, auch Soldaten der Schweizergarde. Und Papst Benedikt, der jeden Sommer im Castel Gandolfo residiert? „Der noch nicht. Aber wir hoffen.“

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