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Kultur: Gleichmacher Geld

Kultur Schock: Kolloquienreihe der literaturWERKstatt berlinVON KAI MÜLLEREin klassisches Konzept der Aufklärung ist Immanuel Kants Idee einer "Geschichte in weltbürgerlicher Absicht".Nichts scheint mit Ausgang des 20.

Kultur Schock: Kolloquienreihe der literaturWERKstatt berlinVON KAI MÜLLEREin klassisches Konzept der Aufklärung ist Immanuel Kants Idee einer "Geschichte in weltbürgerlicher Absicht".Nichts scheint mit Ausgang des 20.Jahrhunderts so sehr zu schwinden wie der darin formulierte Anspruch auf eine geschichtsphilosophische Zentralperspektive.Die universalen Kategorien sind von der abendländischen Rationalität längst einer radikalen Kritik unterzogen worden und heute erlebt die westliche Zivilisation einen "Kulturschock", der die Deutungsansprüche des europäischen Humanismus von außen unterwandert. Die Auseinandersetzung mit Werten, die über kulturelle und religiöse Schranken hinweg gelten können, ist Gegenstand einer Kolloquienreihe der "literaturWERKstatt berlin", die sich so nebulösen Großformeln wie "Weltmarkt", "Medien" und "Geld" widmet.Den Auftakt bildete eine Veranstaltung zum Thema Geld, die unter dem provokanten Motto stand, daß sich im Zahlungsmittel Geld jener kantische "Weltbürger" verkörpere, der als Motor einer fortschreitenden Weltgeschichte dient. Aus kulturphilosophischer Sicht besitzt das Medium Geld verlockende Eigenschaften, da es menschliche Beziehungen entideologisiert und der moralischen Diskussion entzieht.Es stellt, so Norbert Bolz, "reale Gleichheit" her, da eine Ware unabhängig von Herkunft, Stellung und Geschlecht des Käufers erstanden werden kann.Dennoch werde fortgesetzt ein Verdacht gegen die Neutralisierungsmacht des Geldes geschürt. Doch der Verdacht hat auch gute Gründe: Zwar setzt Geld alles mit allem in Beziehung und öffnet Verständigungswege, die durch kulturelle und politische Differenzen versperrt werden, aber es setzt seinerseits Grenzen.Im Wirtschaftssystem sind Menschen, die nicht bezahlen können, schlicht nicht vorgesehen..Geld sei ebenso "nomadisch" wie "monadisch" meinte der Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch.Horst Kurnitzky führte die diabolischen Kräfte des Geldes auf die Sublimationsenergie einer regressiven Triebstruktur zurück.Der Geldverkehr sei seinem Ursprung nach archaischer Opferkult.Im Geld verkörpern sich die Laster einer mißglückten Aufklärung, die ihre Zivilisationskrisen nicht bewältigen kann. Insgesamt kranken die Erwartungen, die an Geld als dem Leitmedium der Zukunft gestellt werden, an den Unschärfen der ökonomischen Definition.Den Ausführungen des Nationalökonomen Hajo Riese zufolge, unterbricht Geld als ein ultimatives Mittel der Kontrakterfüllung die Credit-Kette und macht sichtbar, "was tatsächlich da ist".Damit ist jegliche Spekulation beendet. Der "Kultur Schock" geht weiter: "Über die totale Europäisierung" am 16.Mai; "Heimweh" am 13.Juni, jeweils 12-18 Uhr; "Straßenkampf" im September und "Fetisch" im Oktober 1998.

KAI MÜLLER

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