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Kultur: Glimmende Innerlichkeit

Charles Cré-Ange ist aufgewachsen mit den Klängen von Jazz und Blues.In "Squares" huldigt der französische Choreograph, der mit seiner Compagnie im Rahmen des Tanz-Winters erstmals in Berlin auftritt, seinem Faible für die schwarze amerikanische Musik.

Von Sandra Luzina

Charles Cré-Ange ist aufgewachsen mit den Klängen von Jazz und Blues.In "Squares" huldigt der französische Choreograph, der mit seiner Compagnie im Rahmen des Tanz-Winters erstmals in Berlin auftritt, seinem Faible für die schwarze amerikanische Musik.Seinen musikalischen Neigungen stehen mathematische Interessen gegenüber.Denn "Squares" ist zugleich eine formale Untersuchung über Quadrat und Kubus.So basiert die ganze Inszenierung auf einem kühlen Design.Fünf Säulen im Hintergrund unterteilen den Bühnenraum.Sie entziehen die Aktivitäten der Tänzer teilweise dem Blick, zerstückeln die Körper, so daß nur ein Arm oder ein Bein hervorlugt.Oder sie verwandeln die Silhouetten in zerfließende Schemen, sich vervielfältigende Schatten.Aus den Kontrasten hell und dunkel, Licht und Schatten, dem Wechselspiel von luzid Sichtbarem und dunkler Vagheit schöpft die Choreographie optische Effekte, die sich mit der Zeit abnutzen.

Beim Tanz dominieren kontrollierte Kraft und kalkulierte Ungebärdigkeit.Klar konturierte Bewegungen zerschneiden den Raum, eckige Figuren kontrastieren mit flexiblen Bewegungen der Körpermitte.Bis in die gestreckten Fingerspitzen hinein drückt die Bewegung nüchterne Klarheit aus.Formale Prägnanz kombiniert Cré-Ange mit aggressiver Attacke; vor allem die Frauen beeindrucken durch ihre unterkühlte Sinnlichkeit oder elegante Geschmeidigkeit.Die Duos bewegen sich zwischen spröder Distanz und momentaner Hingabe oder gipfeln in burlesken Verhedderungen.Fast zärtlich zeichnet der Mann die Konturen eines weiblichen Körpers nach - doch die Begegnungen wirken flüchtig, die Paarungen zufällig.

Wohl in dem Gespür, daß das formale Bewegungskonzept allein nicht trägt, versucht Cré-Ange sein schwarz-weiß-Design in eine Reflexion über Hautfarbe, Rasse und Identität zu überführen.Und seiner musikalischen Hommage an das schwarze Amerika verpaßt er eine Rechtfertigung.Musik von John Coltrane bis Jimi Hendrix erklingt, ermuntert zum "walk on the wilde side".Cré-Ange will nun keineswegs das Lebensgefühl der sechziger Jahre wiederbeleben, sondern übersetzt den Sound in eine zeitgenössische Energie.Protest und Aufbegehren, "Soul" und schwarze Spiritualität - die Tänzer versuchen nicht, den musikalischen Gehalt auszuschöpfen, sich "schwarze" Ausdrucksformen anzueignen, um ihrem Tanz so glimmende Innerlichkeit oder markante Rauheit zu verleihen.Eine Kunstfigur betritt dann die Bühne: Citizen Smart spuckt zunächst nur sprachliche Klischees aus, ist aber keineswegs immun gegen die Verlockungen der black brothers.Doch aus weiß wird nicht schwarz, es bleibt bei der albernen Maskierung.Der geschminkte Revue-Neger mit der Kraushaarperücke soll ein rassistisches Klischee ausstellen.Am Ende mutet der Versuch, der Choreographie Gewicht zu verleihen durch das Anknüpfen an die zur Zeit heftig diskutierte Identitätsproblematik, wenig geglückt an.

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