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Eine Szene aus "Romeo und Julia" im Globe.

© nanova-photography.com

Globe Theater in Charlottenburg: Ein langer Sommernachtstraum

Shakespeare komplett: In Charlottenburg soll ein Globe Theater entstehen. Zum Auftakt stürmen „Romeo und Julia“ voran.

An der Bühne, auf der Christian Leonard die Gäste begrüßt, werden noch letzte Bretter festgeschraubt. Es weht ein kühler Maiabendwind, Match-Geschrei dringt vom benachbarten Fußballplatz herüber. Das Areal auf der Charlottenburger Mierendorff-Insel, nahe der Spree an der Sömmeringstraße gelegen, diente bis vor Kurzem noch als Abstellplatz fürs Grünflächenamt. Jetzt haben Leonard und seine Mitstreiter hier in bemerkenswertem Tempo ein provisorisches Theater unter freiem Himmel errichtet, mit Podesterie rings um die Bühne, die einen Vorgeschmack davon geben soll, was möglich wäre. Wenn nur endlich das Globe Theater gebaut würde.

Christian Leonard, Gründer und langjähriger Leiter der Shakespeare Company Berlin, verfolgt seinen Lebenstraum vom „wooden O.“ in der Hauptstadt seit zwei Jahrzehnten. Wiederholt hat er eigenes Geld in sein Herzensprojekt investiert. Und immer wieder ist er gescheitert. Donquixoterie, Fitzcarraldo-Unternehmen, Sisyphos-Aufgabe?

Es war nie ganz klar, ob dem Theatermann in diesem Kampf nicht die Rolle eines tragischen Helden zufällt, ob er bewundernswert beharrlich ist oder schon besessen. Fest steht: Er war dem Ziel noch nie so nahe wie jetzt. In Kooperation mit dem Bezirk Charlottenburg soll die Mierendorff-Insel der Globe-Standort werden. Eröffnung spätestens im Juni 2020.

Das Theater besitzt Leonard schon seit drei Jahren. Er hat der Stadt Schwäbisch Hall ihren ausgedienten Shakespeare-Rundbau für einen symbolischen Euro abgekauft und ihn, zusammen mit Ingo Woesner, dank eines erstaunlichen logistischen Kraftakts in Einzelteilen nach Berlin transportieren lassen. Seitdem lagern die Bretter, die seine Welt bedeuten, im Marienpark, im südlichen Tempelhof-Schöneberg.

Das Globe bietet knapp 600 Menschen Platz

Rund 800 000 Euro würde der Wiederaufbau kosten – Geld, das aus Lottomitteln bereitsteht und fließen könnte, sobald alle Genehmigungen und Gutachten vorliegen. Schallschutz, Brandschutz, Verkehrslage, das muss ja überprüft werden. Zudem verhandelt Leonard noch um einen Erbpachtvertrag, der ihn nicht finanziell ruiniert. „Wo Geld vorangeht, sind alle Wege offen“, zitiert er seinen Shakespeare und lächelt. Er sagt auch: „Wenn der Bezirk uns nicht wollte, wären wir jetzt nicht hier.“ Schade, dass der größte Dramatiker aller Zeiten nie die Gelegenheit hatte, ein Stück über die Berliner Bürokratie zu schreiben.

Die Welt ist eine Bühne. Modell des Berliner Globe Theaters, das im Norden Charlottenburgs auf der Mierendorff-Insel entstehen soll.
Die Welt ist eine Bühne. Modell des Berliner Globe Theaters, das im Norden Charlottenburgs auf der Mierendorff-Insel entstehen soll.

© Globe

Das Globe hat eine Höhe von 14 Metern bei 26 Metern Durchmesser und bietet knapp 600 Zuschauern Platz. Bespielt werden soll es von Juni bis September, zwischen Oktober und Mai würde der Betrieb in einer angrenzenden kleinen Werkstattbühne weitergehen. „Wir wären weltweit das einzige Globe mit eigenem Ensemble, das kontinuierlich arbeitet“, sagt Leonard. Die Spielerinnen und Spieler dafür hat er neu gewonnen, seine angestammte Shakespeare Company möchte weiter im Naturpark Schöneberger Südgelände spielen.

Im hölzernen Welttheater, davon ist der Shakespeare-Aficionado überzeugt, „kommt man sich näher als in der bürgerlichen Guckkastenbühne“. Auch wenn es vermutlich nicht ganz so original zugehen soll wie im berühmten Bau an der Themse. Dort hatten die Groundlings, das Theaterfußvolk, keine Probleme damit, während der Vorstellung zu saufen, zu vögeln oder mit Picknickresten nach den Schauspielern zu werfen.

Einmal pro Woche soll auf Englisch gespielt werden

Wenn alles nach Plan läuft, werden im Globe Berlin in den kommenden Jahrzehnten sämtliche Shakespeare-Stücke zur Aufführung gebracht, immerhin 36 an der Zahl; zwölf davon liegen schon in Leonards eigener Übersetzung vor. Einmal pro Woche soll auch auf Englisch gespielt werden, für das internationale Publikum. Was jetzt auf der Mierendorff-Insel steht, das nennt der Theaterunternehmer die „Prolog-Bühne“. Sie soll den Standort bekannt machen und eröffnet mit seiner Inszenierung der unsterblichen Liebestragödie „Romeo und Julia“. Es folgen ein Abend mit Brecht-Liedern und -Lyrik („Über die Verführung von Engeln“) sowie ein Liebesschwank von Oliver Bukowski („Nach dem Kuss“).

Romeo liebt Julia, alles noch unter vorläufigen Bedingungen. Es zeigt sich eine schnörkellose Leonard-Inszenierung. Die acht Ensemblemitglieder stürzen sich auf fast leerer Bühne ins pralle Volkstheater, es gibt Musik auf Akustikgitarren und Harfen, pointierte Wortspiele, stark choreografierte Stock- und Schwertkampfszenen, für die sich die Schauspielschule mal gelohnt hat. Und es wird ein Versprechen gegeben, das sich hoffentlich vielfach einlöst: „Im Schlummerlicht der kühlen Nacht soll’s hier heiß hergehen.“

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