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Kultur: Glücksspagat

SCHREIBWAREN Jörg Plath über die Angst der Jungautoren und die Weisheit der Alten Das nächste Buch ist immer das schwerste. Aber das zweite hat seine besonderen Tücken.

SCHREIBWAREN

Jörg Plath über die Angst der Jungautoren und die Weisheit der Alten

Das nächste Buch ist immer das schwerste. Aber das zweite hat seine besonderen Tücken. Nun muss ein Thema gefunden werden, während sich das erste aufgedrängt hatte, und die Öffentlichkeit wird auch nicht mehr überrascht, sondern ist voller Erwartungen. Der Schriftsteller Hugo Dittberner begleitet in Wolfenbüttel Debütanten bei der Arbeit am zweiten Buch. Er unterhält sich heute Abend im Literaturhaus (20 Uhr) mit Patricia Görg („Glücksspagat“, Berlin Verlag) und Carsten Probst („Träumer“, Wagenbach), die beide aus ihren noch nicht erschienenen zweiten Büchern lesen.

Harald Hartung ist über dieses Stadium längst hinaus. 70 wurde der kenntnisreiche und gelassen ironische Dichter, der Literaturprofessor, Herausgeber, Rezensent und zeitweilige Direktor des Literarischen Colloquiums vor kurzem, und in seinem neuen Band „Langsamer träumen“ (Hanser), den er am 12.2. in der Akademie (20 Uhr) vorstellt, findet sich eine schöne Fluchtfantasie: „Etwas (trösten englische Ärzte) / wächst noch im Alter: die Ohren / Millimeterbruchteile pro Jahr / Ach könnten wir / Philemon und Baucis / verdämmern im Schatten / faltiger Riesensegel“.

Solche Riesensegel meint man auf der ersten Seite von Aris Fioreto s Roman „Die Wahrheit über Sascha Knisch“ (DuMont) wiederzuerkennen. Freilich handelt es sich um den Stich eines „Eröffneten Hodensacks“, präludiert von einem Zitat des Sexualforschers Magnus Hirschfeld: „In Geschlechtsfragen bleibt niemand bei der Wahrheit.“ Dazu hat der Berliner Sascha Knisch tatsächlich wenig Anlass, verstößt er doch gegen Paragraf 168, der im Jahr 1928 das Tragen von Kleidungsstücken des anderen Geschlechts nur in Privaträumen gestattet. Außerdem sitzt Sascha mit einer Schleife um sein Gemächt in einem Kleiderschrank, als dessen Besitzerin davor umgebracht wird. Worüber spricht der Schwede Fioretos also im Literarischen Colloquium (13.2., 20 Uhr) mit Sigrid Löffler und Hanns Zischler? Über die sexuelle und die Einbildungskraft.

Dann gibt es noch die alljährlichen BrechtTage im Literaturforum , diesmal über den Meister und den Film. Georg Seeßlen hält den Eröffnungsvortrag am 17.2. um 20 Uhr, aber am 16.2. läuft schon Schlöndorffs Verfilmung von „Baal“ (bis zum 23.2. Information: 28 22 003, www.lfbrecht.de ).

Dass Elke Erb ihren 65. Geburtstag öffentlich in der Literaturwerkstatt mit Freunden feiert, passt gut zu ihrer „wandlosen Werkstatt“. Dort arbeitet sie Seite an Seite mit toten und lebenden Kollegen an der Sprache, und aus realen und „Lesebegegnungen“ entstehen Porträts, Nachdichtungen und oft dialogische Texte: „Textleben“ und „Lebenstexte“. In der Jungmännersubkultur des Prenzlauer Bergs war die freundliche Dame eine Ausnahmeerscheinung. Unverständliches scheut Erb durchaus nicht. „Das müssen Sie jetzt so hinnehmen“, hat sie Frager einmal beschieden. Ihr Verleger Urs Engeler sowie Brigitte Struzyk, Barbara Köhler. Adolf Endler, Oskar Pastior, Christoph Meckel und andere ehren sie am 18.2. ab 20 Uhr.

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