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Kultur: Glück im Unglück

Gewinner gibt es genug im Kino. Verlierer sind besser – immer wenn William H. Macy einen spielt: „The Cooler“

William H. Macy hat ein Gesicht, das Kameras lieben. Nicht weil es besonders schön wäre. Knubbelnase. Segelohren. Falten und Furchen, die pfeilförmig nach unten zeigen. Dazu ein oberlippenloser Mund wie mit dem Lineal gezogen. Aber Macy kann etwas, das nur wenigen Schauspielern vergönnt ist. Er kann sein Gesicht komplett leer räumen, alle mimische Spannkraft aus ihm verdammen und den Blick nach innen ins Nichts richten. Dann sieht er aus wie der ultimative Gegenentwurf zu Al Pacino. Und solche Leute braucht das Kino.

Macy spielt oft den vom Pech Verfolgten. Die Gebrüder Coen haben ihn in „Fargo“ als bejammernswert unbegabten Autoverkäufer besetzt. In Wayne Kramers Regiedebüt „The Cooler“ darf Macy nun als Hauptakteur Bernie Lootz den Archetypen des Verlierers perfektionieren. Als „Cooler“ arbeitet er in einem Casino in Las Vegas. Wo alle auf die große Chance hoffen, verdingt sich Bernie als Unglücksfee. Eine flüchtige Berührung des Roulette-Tisches reicht aus – und jede Glückssträhne findet ein abruptes Ende.

Früher saß Bernie als Spielsüchtiger auf der anderen Seite. Dort türmte er so lange Schulden aufeinander, bis der zwielichtige Geschäftsführer Shelly (Alec Baldwin) ihm mit dem Baseballschläger das Knie zertrümmerte und ihn für sechs Jahre als Profi-Pechvogel zwangsverpflichtete. Sieben Tage noch, dann ist Bernies Zeit im „Shangri-La“ vorbei. Shelly versucht ihn zu halten, denn ohne den besten Cooler der Stadt kann er sein Casino dicht machen. Die Modernisierer stehen schon in der Tür und wollen den altmodischen Laden zum Vergnügungscenter für die ganze Familie ummodeln.

Aber Bernie will weg aus Vegas. Irgendwohin, wo man Tag und Nacht voneinander unterscheiden kann. Da lernt er Nathalie (Maria Bello) kennen und kann es kaum fassen, dass sie sich mit einem Kerl wie ihm abgibt. Aber die braunäugige Kellnerin meint es ernst und durch das langsam wachsende Liebesglück verliert Bernie seine beruflichen Fähigkeiten. Als er erstmals fröhlich lächelnd das Casino betritt, werden Gewinne in Millionenhöhe ausgeschüttet – was Shelly und seine Hintermänner auf den Plan ruft.

Ganz ohne Pathos lässt Wayne Kramer in „The Cooler“ die Kraft der Liebe gegen die Macht des Geldes antreten. Die Spielerstadt in der Wüste von Nevada ist für derlei Geschichten ein bewährter filmischer Nährboden. Zuletzt kämpfte Nicholas Cage in „Leaving Las Vegas“ mit Schnaps und Herz gegen die kalte Geldkultur. Kramer geht weitaus weniger rührselig ans Werk. Formen und Farben von modernen Kinomärchen und nostalgischem Film Noir zerlaufen ineinander. Die romantische Love-Story wird heruntergekühlt. Roh und ungeschönt präsentieren sich die Sexszenen. Keine Luxuskörpergymnastik. Keine kunstvollen Schnittorgien. Die einfache Draufsicht zeigt mehr, etwa das friedliche Nebeneinander von Verzweiflung und Glück. Kurz, aber heftig bricht Gewalt in die Geschichte ein. Alec Baldwin vertritt sie als Geschäftsmann mit einem tragischen Verständnis von Loyalität.

Regisseur Wayne Kramer macht einige typische Anfängerfehler: Die Story hat ein paar Wendungen zu viel, ohne dass substanziell Neues passiert und originelle Einfälle werden oft arg dick unterstrichen. Positiv hingegen wirkt sich sein Respekt vor den Schauspielern aus. Die Figuren in „The Cooler“ können frei atmen und werden nicht zu willenlosen Subunternehmern der Plot-Ingenieure. Maria Bello und Alec Baldwin fächern immer wieder neue Nuancen ihrer Charaktere auf. Aber der Film gehört William H. Macy, der – in der Gewinnerkultur von Las Vegas und Hollywood – der Würde der Verlierer ein kleines filmisches Denkmal setzt.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66,

FT Friedrichshain, Odeon (OmU), Rollberg

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