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Kultur: Glück und Opernglas

Kusej inszeniert Verdis „Otello“ in Stuttgart

Der Mohr von Venedig ist ein weißer Mann. Das gefährdet das Musikdrama nicht, weil das rassische Motiv der Eifersuchtshandlung bei Verdi klein geschrieben wird. Glatzköpfig, in Lederjacke, landet Otello, Befehlshaber der venezianischen Flotte, in Zypern und fasziniert mit der kraftvollen Stimme von Gabriel Sadé.

Nach seiner sandigen Berliner „Carmen“ an der Lindenoper hat Martin Kusej sich ohne Zögern einer weiteren Operninszenierung zugewandt: Mit „Otello“ an der Staatsoper Stuttgart vertieft er das Rätsel um seine Eigenschaften als Regisseur. Kaum zu fassen, dass er die Ekstase, den Lebensstoff des Werkes mit Leerlauf und Tableaux durchgehen lässt, um plötzlich, in einem Augenblick, an seine Hochbegabung zu erinnern.

Während das Staatsorchester sich auf die Partitur einstimmt, die es unter Nicola Luisotti vehement verteidigt, tummeln sich Touristen. Das Volk (der famose Staatsopernchor) trinkt Wein aus grünen Flaschen, um nach einer absurden Prügelszene die Bühne mit Glasscherben zu übersäen. Darin beschwören Otello und Desdemona (mit vorsichtigem Ansatz: Eva-Maria Westbroek), beide in Jeans, betend ihre Liebe. Das schöne Zypern beschränkt Bühnenbildner Martin Zehetgruber auf eine kahle Halle, davor schiebt sich eine Spiegelfläche: Wir sehen uns im Zuschauerraum, die Leute um uns herum. Leider gibt sich Kusej diesem nicht gerade brandneuen Gag hin, wenn Jago sich in seinem „Credo“ outet. So wird die Wirkung des teuflischen Glaubensbekenntnisses dem eindringlichen Sänger Marco Vratogna genommen, der zudem noch gedoubelt an der Decke wandelt. Geht es im Duett Otellos mit Jago um den Triumph der Rache, die zwei Betrogene in mediterraner Männerfreundschaft vereint, so recken sie ihre nackten Oberkörper. Solche Entblößung als Metapher für abgründige Emotionen ist derzeit eine beliebte Regieeingebung, zu sehen auch in Mussbachs Münchner „Billy Budd“-Inszenierung.

Spät kommt der große, tief berührende Moment: Desdemona betet zur Nacht, während Otello neben ihr kniet, eine kleine Zeit halten sie sich an den Händen, bevor die Frau in den Armen des geliebten Mannes erwacht und die Realität des geplanten Mordes einbricht. Aufrecht verlassen die beiden Darsteller die Szene, da das Theater den Tod aufhebt. Aber Kusej hat inszeniert, was es heißt, an der Liebe zu leiden.

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