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Kultur: Glut und Schatten

LIED

Es gibt Sänger, denen man einfach gerne zusieht. Auch Katharina Kammerloher gehört dazu. Wie sich beim Liederabend im Apollo-Saal der Berliner Staatsoper die Musik in den Gesten und Mienen der jungen Sängerin spiegelt – das wirkt bei der gebürtigen Münchnerin nie gekünstelt. Außerdem trägt Burkhard Kehring am Flügel sie auf Händen. Berio, Wolf, Debussy und de Falla malen die beiden mit leichtem Strich, aber auch mit vielen Nuancen zwischen Hell und Dunkel, wenn es dramatisch wird. „In dem Schatten meiner Locken“ aus dem „Spanischen Liederbuch“ – wie alle Wolf-Lieder des Abends – inszeniert das Gespann wie eine Love-Story. Eine Frau beobachtet den Liebsten im Schlaf – zauberdunkel webt die Sängerin die Weigerung ein, den Schlaf des Geliebten zu stören. Dann, in Wolfs (wagnerischem) Liebestod „Bedeckt mich mit Blumen", wird mit duftigen Piani gestorben.

Doch man fing den Abend mit den technisch anspruchsvollen „Canzoni popolari“ Luciano Berios an, die während seiner Akademiezeit in den 1940ern entstanden. Kammerloher sitzen die zitternden, liebesverrückten Zierfiguren des vierten Liedes nicht restlos perfekt in der Kehle. Auch die spanische Glut der „Siete canciones" von Manuel de Falla facht die Mezzosopranistin mit viel szenischer Fantasie an. Und doch bleibt hier manches auf nordischem Boden, weil in Kammerlohers Timbre eher kühle Farben glimmen. Genau der richtige Stoff für Claude Debussys „Trois Chansons de Bilitis" also, deren Gestaltung den Höhepunkt des mit viel Applaus gefeierten Abends bildet. „La Chevelure" erinnert an die unio mystica der Liebenden in Debussy/Maeterlincks Oper „Pelléas et Mélisande" – man badet in des anderen Haar, Körpergrenzen heben sich auf –, und wieder finden die Sängerin und der Pianist träumerisch zusammen, in Burkhard Kehrings gleichsam tastend gedehntem Nachspiel will das Nachspiel gar nicht verebben.

Jens Hinrichsen

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