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Kultur: Go, Romeo, go

Luisi und die Staatskapelle spielen Berlioz als Soundtrack

Der heikelsten Frage weicht Fabio Luisi genauso aus wie 95 Prozent seiner Kollegen: Wie macht man hörbar, dass es Hector Berlioz bei seiner dramatischen Sinfonie „Roméo et Juliette“ nicht um eine klangrealistische Nacherzählung geht, sondern um die leidenschaftlichen Reaktionen, die die Shakespeare-Lektüre im romantischen Komponistengemüt hervorruft? Von dieser subjektiven Spiegelung, die doch erst die Faszinationskraft der Musik Berlioz’ ausmacht, ist in der Philharmonie wenig zu erahnen: Luisi spielt das Werk als Soundtrack - was im Verständnis des 19. Jahrhunderts heißt: als große Opernmusik mit repräsentativen Chorszenen und effektvollen Soloeinlagen. Das allerdings sehr gut und sehr deutsch: Immer wenn es um Liebe geht, liegt ein Hauch von Tristan in der Luft, geht die Staatskapelle mit ihrem berückend schönen Streicherklang auf Seelensuche. Anders gesagt, Luisi lässt Berlioz spielen, wie man gern (und allzu selten) Wagner hört: Gefühlvoll, jedoch ohne aufgesetzte Bedeutungsschwere, mit einer natürlichen Noblesse, größtmöglicher Präzision und einem klug gewichtenden Ordnungssinn. Auch die Balance mit dem ausgezeichnet disponierten Staatsopernchor und den Solisten aus hauseigenem Ensemble (Katharina Kammerloher, Stephan Rügamer, Hanno Müller-Brachmann) ist untadelig - der umsichtige Konzertdirigent Luisi ist nicht von ungefähr auch einer der gefragtesten Operndirigenten seiner Generation. Dass zu Berlioz mehr gehört, wird vor allem in den bewegteren Passagen deutlich: Die fantasievollen Kampf- und Ballszenen kommen recht pardauzig daher, und die Traumwelt der Feenkönigin Mab bleibt zwischen den Bettpfosten solider Behaglichkeit hängen. Was auch daran liegt, dass die breittönigen, gedeckten Staatskapellen-Bläser denn doch zu weit vom Ideal französischer Wendigkeit entfernt sind. Jörg Königsdorf

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