zum Hauptinhalt
Hip Hop forever. Ghostface Killah, U-God und RZA 2013 in Krakau.

© Jacek Bednarczyk

„Gods of Rap“ in Berlin: Gibt’s die denn wirklich noch?

Hip-Hop-Nostalgie mit Alt-Rappern um die 50: Der Wu-Tang Clan schleppt Public Enemy und De La Soul in die Berliner Wuhlheide.

Was macht eigentlich der Wu-Tang Clan? Die neunköpfige Hip-Hop-Hydra hat in den letzten Jahren weniger durch gute Tracks als mit Marketing-Stunts von sich reden gemacht – etwa der Versteigerung ihres auf eine Kopie limitierten Albums „Once Upon a Time in Shaolin“.

Die Crew rund um Mastermind RZA hat sich nun auf die Pflege des eigenen Erbes verlegt und noch ein paar Kämpen aus der guten alten Zeit mit auf die Bühne geholt. „Gods of Rap“ heißt das Format, mit dem der Wu-Tang Clan, Public Enemy und De La Soul derzeit durch die Lande ziehen. Als Aufleger zwischen den Acts fungiert Produzenten-Legende DJ Premier (Gang Starr). Die Elite des East-Coast-Hip-Hop gibt sich hier also die Ehre, und das für schlappe 60 Euro Eintritt. Erstaunlich, dass die Parkbühne Wuhlheide nicht ganz ausverkauft ist.

„Berlin, what’s up, yo!“, ruft Posdnous von De La Soul, die die Aufgabe haben, dem übersättigten Berliner Publikum einzuheizen. Dementsprechend geht da nicht viel, auch wenn sich die Rapper, die Hip Hop einst mit Funk-Beats und lebensbejahenden Flower-Power-Texten bereichert haben, eine sympathische Performance abliefern. „Wir machen das jetzt seit...1988!“, sagt Trugoy ein wenig ungläubig, und fordert das Publikum, gestaffelt nach Altersklassen, dazu auf, zu jubeln. Bei den 19- bis 25-Jährigen ist wenig zu hören, bei den 25- bis 35-Jährigen schon mehr, und bei den 35- bis 45-Jährigen wird es am lautesten.

De La Soul sind Legenden, doch wie im Falle von Wu-Tang Clan und Public Enemy wird sich so mancher gefragt haben: Was, die gibt’s noch? „Here we come, from another time“, rappte Chuck D auf dem vorletzten Public-Enemy-Album in „Me to We“, und so ist auch der Auftritt der Polit-Rapper: Zum Heulen von Luftschutz-Sirenen marschieren die militärisch gekleideten Tänzer der „Security of the first world“ auf die Bühne. DJ Lord lässt ein Scratch-Gewitter mit Noise-Beats niederprasseln, und Chuck D rechnet mit Menschenfeinden und korrupten Politikern ab. „Fuck racism, fuck bigotry – fight the power!“, skandiert Chuck D einen Schlachtruf, den die Welt gerade wieder gut gebrauchen kann.

Dennoch wirkt das Kämpferische von Public Enemy seltsam routiniert, so wie die Slideshow auf der Videoleinwand, bei der alle Albencover chronologisch eingeblendet werden: ein Blättern in der Plattenkiste. Leider ist Flavor Flav, Chuck Ds Rap-Partner und Liebhaber überdimensionaler Uhren, bei der Tour nicht mit dabei. Seinen Part übernimmt der etwas heisere MC Jahi, der immerhin eine stattliche Armbanduhr sein Eigen nennt.

Hände zusammen zum Fledermaus-Logo

An der Reaktion des Publikums kann man jedoch ablesen: 80 Prozent der Anwesenden sind wegen Wu-Tang Clan hier. Die kommen, nachdem das Tageslicht geschwunden ist und die Lightshow auftrumpfen kann: RZA hebt die Hände zum ikonischen Fledermaus-Logo, zahllose Hände machen es ihm nach, und der Clan-Chef ergänzt die „Wu! Tang!“-Sprechchöre mit einem lauten „Forever!“. Erst jetzt, als die düsteren Fingerknöchel-Beats von „Bring da ruckus“ aus den Boxen knacken, kommt Stimmung auf. Mit ihnen war das stilbildende Debüt „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ 1993 über die Welt hereingebrochen.

„Wie viele von euch haben dieses Album“, fragt RZA, und Hunderte melden sich. „This is real Hip Hop“, fügt er hinzu, als müsse er jemanden daran erinnern, wer Classic Hip Hop miterfunden hat. Der Clan feiert sich und sein Jahrhundertwerk, Sekt-Flaschen werden auf der Bühne von Raekwon, GZA und Ghostface Killah geköpft, und stolz verkünden die Rapper, dass in New York kürzlich ein „Wu-Tang District“ eingeweiht wurde.

Fast die Hälfte des Debüt-Albums performt die erstaunlich vitale Crew an diesem Abend (leider ohne Method Man), und spätestens beim Mitpöbel-Favoriten „Wu-Tang Clan Ain’t Nuthing Ta Fuck With“ sind die Berliner aufgetaut und gehen textsicher mit. Der Sound ist dafür nicht verantwortlich: „Turn it up“, ruft RZA zu Recht. Tatsächlich werden die Bässe und Stimmen lauter – der Rest leider nicht. Die Details von RZAs Samplekunst gehen im Gewummer unter.

Die größtenteils 50-jährigen Alt-Rapper entwickeln live erstaunlich viel Energie, vor allem Cappadonna und Raekwon sowie Young Dirty Bastard, der Sohn des 2004 verstorbenen Clan-Gründungsmitglieds Ol’ Dirty Bastard, der an diesem Abend das frenetisch bejubelte „Shimmy Shimmy Yo“ rappt, ein Klassiker seines Vaters. „Wu-Tang is for the children“, zitiert RZA denn auch seinen verstorbenen Kollegen und holt drei elfjährige Nachwuchs-Fans auf die Bühne, die bei „Protect Ya Neck“ mittanzen dürfen.

„When this music comes up, we all came together“, sagt RZA altersweise und fordert alle Anwesenden auf, es dem Clan nachzumachen. Guten Hip-Hop-Nachwuchs gibt es zum Glück zuhauf, auch ohne die Oldie-Show der Altvorderen. Der Partystimmung tut das keinen Abbruch. Auch DJ Mathematics bringt die Menge mit spektakulären Turntable-Künsten (mit dem Rücken zum Plattenspieler, mit dem Fuß, mit dem Mund) zum Kochen. Die Wuhlheide feiert ausgelassen, als der Wu-Tang Clan nach einer Dreiviertelstunde ziemlich abrupt ohne Abschiedsworte und Zugabe verschwindet. Aber immerhin hat RZA angedeutet, man könne nächstes Jahr wiederkommen – dann vielleicht mit Nas.

Zur Startseite