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Kultur: Goldener Boden

Toskanische Malerei: eine Ausstellung der Gemäldegalerie Berlin

Was für feine Wahlverwandtschaften. Ohne sie wäre sein Name schon längst und wohl auch endgültig vergessen. Selbst wenn er eingängig klingt: Cennino Cennini.

In seinem Buch von der Kunst, dem „Libro dell’Arte“, stellt sich der um 1400 in Florenz und Padua tätige Maler als direkter und legitimer Erbe einer großen Tradition dar. Im ersten Kapitel des in mehreren Handschriften überlieferten Textes schreibt Cennini: „So wurde ich, als ein geringes ausübendes Glied in der Kunst der Malerei, zwölf Jahre lang in genannter Kunst von Agnolo (Gaddi), dem Sohn des Taddeo aus Florenz, meinem Meister, ausgebildet, welcher die besagte Kunst von Taddeo, seinem Vater, gelernt hat, dieser Vater wiederum wurde von Giotto über die Taufe gehalten und war für 24 Jahre sein Schüler.“

An die quasi familiäre Herleitung vom Meister Giotto über dessen Patenkind und späteren Meisterschüler Taddeo Gaddi sowie Taddeos Sohn und Schüler Agnolo Gaddi bis zu ihm selbst fügt Cennini einen Satz an, den der Künstlerbiograf Giorgio Vasari 150 Jahre später zitieren und damit zur Weltliteratur erheben wird: „Jener Giotto hat die Kunst des Malens vom Griechischen ins Italienische zurückverwandelt und zu ihrem heutigen Stand zurückgeführt, und er besaß die vollendetste Kunstfertigkeit von allen.“

In heutigen Worten: Giotto gehörte für Vasari, den Bewunderer Michelangelos, zu den Größten. Bis heute gilt Giotto – um 1267 geboren und 1337 gestorben – als Erneuerer der abendländischen Malerei. Ein Genie, das den byzantinisch geprägten Ikonenstil des hohen Mittelalters – in Cenninis Begrifflichkeit: das Griechische – durch eine an der sichtbaren Realität orientierte Malerei ersetzt hat. Bis zur Zentralperspektive war es nur noch ein kleiner Schritt. Ihn zu gehen hat etwa hundert Jahre gedauert.

Der Entstehung neuzeitlicher westlicher Malerei im 14. Jahrhundert widmet nun die Berliner Gemäldegalerie eine Kabinettausstellung: „Fantasie und Handwerk“ stellt Florentiner Malerei zwischen Giotto und Lorenzo Monaco, einem Zeitgenossen Cenninis, aus eigenen Beständen vor. Hervorgegangen ist die von Stefan Weppelmann von der Gemäldegalerie und Wolf-Dietrich Löhr vom Kunsthistorischen Institut der Freien Universität besorgte Ausstellung aus einem studentischen Projekt. Viel gemeinsame Forschungsarbeit steckt im vorbildlichen Katalog. Erstmals in Berlin wird mit einem audiovisuellen Guide versucht, etwas davon an die Nichtkunsthistoriker unter den Besuchern zu vermitteln. Auf einem Minicomputer kann man Restaurierungsfotos und mit bloßem Auge schwer sichtbare Details abrufen. Auch wenn die Präsentation in Ausstellungsgrafik misslungen ist, hat sich die Zusammenarbeit von Nachwuchswissenschaftlern und Museum für alle gelohnt.

Cennini, der Maler, ist anders als der Buchautor beinahe ein Phantom. Nur wenige Tafelbilder und Fresken werden ihm zugeschrieben, Signaturen oder andere Beweise dafür gibt es nicht. Zwei relativ gesicherte Werke seiner Hand besitzt die Berliner Gemäldegalerie seit ihrer Gründung. Bislang schlummerten die beiden hochformatigen Tafeln mit den Darstellungen eines heiligen Bischofs und eines heiligen Papstes auf Goldgrund im Depot. Für die Ausstellung wurden sie gründlich untersucht und restauriert.

Eine Einladung zum Sichversenken in die Feinheit religiöser Bilder, um die folgenreiche Reise der toskanischen Malerei seit Giotto nachzuvollziehen. Die Tradition, die Repetition des Altbewährten gehörten für Künstler damals – siehe Cenninis „Abstammungslehre“ – zu den zentralen Normen. Sein „Libro dell’Arte“ hat Cennini allerdings nicht nur in diesem Sinn verfasst. Das Buch, von dem man nicht weiß, wofür und für wen es geschrieben worden ist, erklärt nicht nur Rezepturen und Techniken des Malens, Abformens und Vergoldens. Erstmals in der europäischen Kunstgeschichte reflektiert es das neue Selbstbewusstsein einer sich vom Handwerk lösenden Kunst.

Gemäldegalerie am Kulturforum, bis 13. April, Katalog (Hirmer) 34,80 €, im Buchhandel 39,90 €.

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